Der buddhistische Mönch
verschwindet im Gebäude und kehrt wenig später mit einer Messingpfeife, einem Klumpen Opium zwischen zwei transparenten Plastikvierecken und ein paar Paracetamol-Tabletten zurück, die er in zermahlenem Zustand unter das Opium mengt, damit es fester wird. Dann gibt er eine winzige Menge in die Pfeife, erhitzt sie mit einem Butanfeuerzeug, bis das Zeug zu blubbern beginnt, nimmt selbst einen Zug und reicht sie Baker, der sie mit unverhohlener Begeisterung ergreift. Nach fünfzehn Zügen kann er das Gefühl des Wohlbehagens, das seinen Körper erfüllt, nicht mehr verbergen. »Ich glaube, jetzt ist er transportfähig«, erkläre ich dem Polizisten, der mir hilft, Baker auf den Rücksitz des Taxis zu bugsieren.
Baker befindet sich tief in einem Opiumtraum, als wir den Bahnhof erreichen, sodass ich den Fahrer gegen Geld bitten muss, ihn mit mir zum Zug und auf einen Sitz in der ersten Klasse zu schleifen. Was für eine Erleichterung, als wir uns endlich in Bewegung setzen und ich die Rollos herunterziehen kann. Noch Stunden später weist nichts darauf hin, dass Baker sein Traumparadies verlassen möchte, also mache ich mich daran, den Namen »Damrong« in seine Opium-Phantasien zu träufeln, indem ich ihn immer wieder in sein Ohr flüstere. Plötzlich schlägt er die Augen mit einem Glanz auf, den man bei farang- Männernseit den Sechzigern nur noch selten sieht, und sagt:
Nicht kann sie Alter
Hinwelken, täglich Sehn an ihr nicht stumpfen
Die immer neue Reizung; andre Weiber
Sätt’gen, die Lust gewährend: sie macht hungrig,
Je reichlicher sie schenkt; denn das Gemeinste
Wird so geadelt, dass die heil’gen Priester
Sie segnen, wenn sie buhlt.
»Shakespeares Antonius und Kleopatra, Schulaufführung«, vertraut Baker mir mit einem selbstgefälligen Lächeln an. »Ich war Enobarbus.« Und dann schließt er die Augen wieder.
Erst in den Außenbezirken von Krung Thep beginnt die Wirkung der Droge nachzulassen, und er befühlt den blauen Fleck unter seinem Auge sowie andere Teile seines Körpers, die malträtiert wurden. Seine Gedanken scheinen sich jedoch in anderen Regionen zu befinden, als er von seiner inneren Reise erzählt:
»Grauschattierungen, weißer Boden mit riesigen Fliesen, vielleicht zweieinhalb Quadratmeter groß, dazwischen Schwarz, wie ein gigantisches Schachbrett. Auf jedem Viereck eine graue Wendeltreppe zu einer grauen Plattform. Sie ist Farbe: hauptsächlich Gold und Grün, intensive Rottöne, Orange, farbiges Licht in einer Art Seidenrobe; sie tritt von der Plattform ins Nichts. Nächste Fliese: eine weitere Wendeltreppe, diesmal höher; wieder das Gleiche: sie die einzige Farbe, und sie tritt von der Plattform ins Nichts. Unendlich viele Treppen, größer werdend, Damrong und immer wieder Damrong – jedes Mal in anderem Gewand, jedes Mal kurz vor dem Schritt ins Nichts.« Er packt meinen Unterarm. »Sie besucht mich jede Nacht, gold-grün leuchtend, beherrscht meinen Schwanz, meinen Orgasmus, alles. Sie kann ihn stundenlang rauszögern, die ganze Nacht lang, oder mich in fünf Sekunden kommen lassen. Jede Nacht!« Er gräbt mir die Nägel ins Fleisch. »Am liebsten würde ich mit ihr zusammen ins Nichts springen, aber ich hab einfach nicht den Mumm dazu.«
Ich habe dem Polizeirevier telefonisch unsere Ankunft angekündigt, sodass uns vor dem Hualamphong-Bahnhof ein Wagen erwartet.
14
Wir sind winzige Figuren am Glücksarmband der Unendlichkeit. Wenn dieser Körper erschöpft ist, wandern wir in einen anderen. Was werde ich im nächsten Dasein: Kesselflicker, Schneider, Tiger, Fliege? Ein Buddha, Dämon, Berg, Laus – sie alle sind sich in ihrer wesentlichen Leere gleich. Aber wird in fünfzig Jahren überhaupt noch ein Planet existieren, auf dem es sich zu leben lohnt? Chart na bedeutet »nächstes Leben«, und als Buddhist macht man sich Gedanken darüber. Nicht nur über das eigene, sondern auch über das der Erde, denn sie ist ein lebendes Wesen mit eigenem Karma, unauflöslich mit dem unseren verknüpft.
Tja, es wird von Jahr zu Jahr heißer – nun ist es endlich offiziell. Inzwischen sind sich sogar von der amerikanischen Regierung beauftragte Wissenschaftler einig: Wir werden uns als einzige Spezies in der kosmischen Geschichte wissentlich selbst den Hitzetod bescheren. Heute Morgen habe ich mir über Kabel die BBC-Nachrichten angeschaut. Eigentlich wäre ein dringlicher Tonfall des Sprechers zu erwarten gewesen, aber der berichtete über die globale Erwärmung
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