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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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ihn wirklich für wahnsinnig zu halten, denn er stellt sich mir so in den Weg, dass ich um ihn herumgehen muss. In Gedanken bin ich immer noch mit ihm beschäftigt, als ich meinen Schreibtisch erreiche und Lek sich zu mir gesellt.
    »Schon wieder dieser Internet-Mönch. Er hat mich absichtlich angerempelt und sich so hingestellt.« Ich hebe die Arme, die Handflächen auf Lek gerichtet.
    »Bei mir hat er gestern das Gleiche gemacht.« Mir fällt auf, dass Lek nicht mehr so versessen auf den Mönch ist wie noch ein paar Tage zuvor. »Vielleicht spinnt er. Hat er Ihnen seine Narbe gezeigt?«
    »Was für eine Narbe?«
    »Ich dachte, deswegen hält er mir die Hände hin. Er hat eine Narbe am Gelenk wie von einem Selbstmordversuch in der Jugend.«
    »Und die Armbänder?«, frage ich.
    »Möglicherweise schenkt er allen, denen er begegnet, eins, und es besteht keine Verbindung zu dem Fall.«
    »Mir hat er keins gegeben.«
    Ich habe die Narbe auch bemerkt, sie aber nicht weiter beachtet. Lek und ich zucken mit den Achseln. Wir möchten nicht schuld daran sein, dass ein Mönch in der Irrenanstalt landet. Ich versuche, die Erinnerung an ihn zu verdrängen und mich auf meine Rache an Tanakan zu konzentrieren. Den ganzen Vormittag über denke ich nicht mehr an den Mönch; er fällt mir erst wieder ein, als Lek und ich an einer Garküche auf kong kob kiao warten. Ich halte ein halbes Dutzend Fischbällchen in Händen, die ich nun auf dem Tisch ablege.
    »Die Narbe«, sage ich.
    »Was für eine Narbe?«
    »Am Handgelenk des Mönchs.«
    »Was ist damit?«
    »Schau im Internet-Café nach, ob er noch da ist. Ich geh inzwischen zurück ins Revier. Falls du ihn dort antriffst, bittest du ihn höflich, zu mir zu kommen.«
    Lek zuckt mit den Achseln. Vielleicht lande ja ich bald in der Klapsmühle, denkt er wohl.
     
    Von meinem Bürofenster aus beobachte ich, wie Lek aus dem Internet-Café tritt und sich die Haare mit beiden Händen aus dem Gesicht streicht. Wenig später ist er bei mir, allein.
    »Und?«
    »Er sagt, er kommt gern in etwa einer Stunde. Zuerst möchte er noch zum Meditieren in den wat. «
    Es gelingt mir, die in mir hochsteigende Verärgerung zu unterdrücken, weil ich weiß, dass keiner gründlicher ist als ein Betrüger. Als er schließlich auftaucht, werde ich wieder wütend, da er wie ein Mönch an der Schwelle zum Nirwana posiert. Ich muss mich sehr zusammenreißen, keine aggressive Vernehmungstechnik anzuwenden. Offenbar gefällt es ihm, andere bitten zu sehen.
    »Phra… Sie müssen entschuldigen, ich kenne Ihren Sangha-Namen nicht.«
    Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, das muss ich ihm lassen. »Der spielt keine Rolle. Sie scheinen ohnehin nicht zu glauben, dass ich einen habe, oder?«
    Verstimmt frage ich: »Wie vielen Weisungen folgen Sie?«
    »Was für eine kindische Frage, Detective. Sie wissen sehr genau, dass ein Mönch zweihundertsiebenundzwanzig folgen muss.«
    »Entschuldigung«, sage ich, »wie dumm von mir.« Sein gewähltes Thai überrascht mich; ich hatte einen ungebildeten jungen Mann aus dem armen Norden erwartet.
    »Verstehe. Weil Sie finden, dass ich mich nicht wie ein Mönch benehme, kann ich auch keiner sein. Das nennt man Festhalten an Bildern oder, allgemeiner ausgedrückt: Unwissenheit. Benehmen Sie sich denn immer wie ein Polizist, Detective?«
    Die Eleganz seiner Antwort verblüfft mich so sehr, dass ich ziemlich unbeholfen reagiere. »Für einen Mönch verbringen Sie viel Zeit in einem Internet-Café. Sind Sie ein modernistischer Buddhist?«
    Er lächelt, fast schon herablassend. »Natürlich nicht. Modernismus ist größtenteils eine Form der Unterhaltung, noch dazu eine oberflächliche. Er überdauert weder Umweltkatastrophen noch Ölknappheiten, ja nicht einmal Terroranschläge. Und ganz bestimmt nicht die Armut, das Los der meisten von uns. Ein Knopfdruck, und schon verschwinden die Bilder vom Monitor. Dann beginnen uns wieder uralte Fragen zu quälen: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Aber ohne Wissen verwandeln sich diese Fragen in reines Gift. Verwirrung sucht Erleichterung in Bigotterie, und die führt zu Konflikten. Ein High-Tech-Krieg, und wir sind zurück in der Steinzeit. So sieht die Verbindung zwischen Modernismus und Buddhismus aus. Mit anderen Worten: Es gibt keine, es sei denn, man postuliert letzteren als Heilmittel für ersteren.« Plötzlich spielt ein charmantes Lächeln um seine Lippen. »Andererseits lassen sich buddhistische Texte ganz einfach

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