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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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verkaufte auch nicht ihren Körper, sondern arbeitete in einem Restaurant.« Ich sehe den Jungen an, ohne die nahe liegende Frage zu stellen. »Nok war ganz offiziell mit seinem Vater verheiratet, aber der hat sich eine andere Frau gesucht und aufgehört, für das Kind zu zahlen.«
    »Verstehe«, sage ich. Natürlich hätte Nok mit dem Verdienst aus einem Restaurant-Job niemals fünf oder mehr Menschen ernähren können, doch die Etikette erfordert Augenwischerei. Möglicherweise ist nur die Mutter clever genug, um zu merken, als was Nok tatsächlich arbeitete. Und ganz bestimmt würde keiner in der Familie es laut sagen. Ohne Thematisierung fällt es mir allerdings schwer, über den Fall zu reden.
    »Sie hat monatlich zehntausend Baht nach Hause geschickt«, erklärt die Mutter, »mit denen ich uns alle und meine Eltern versorgen muss. Wir verbringen unsere Zeit damit, Reis fürs Essen anzubauen, und haben kein Bargeld. Meine Mutter leidet an Diabetes. Ihre Medizin wird vom Staat bezuschusst, nicht aber ihre besondere Diät. Auch mein Vater ist krank – irgendwas stimmt nicht mit seinem Kopf; er hat sein Leben lang in der Hitze gearbeitet. Mein Sohn hier wollte eigentlich die höhere Schule abschließen, doch das war zu teuer. Meine jüngere Tochter ist noch Jungfrau, aber sie lernt nur Jungs aus der Gegend kennen, die auch kein Geld haben, Whiskey trinken und Drogen nehmen. Nok wollte ihr bei der Suche nach einem ordentlichen Ehemann helfen, doch dazu muss sie ebenfalls die höhere Schule besuchen, sonst interessieren sich nur Männer aus der Unterschicht für sie. Nok hat gesagt, sie sei hübsch genug, um in einem Jahr oder so hier in Krung Thep einen farang- Mannzu finden. Angeblich haben farangs so viel Geld, dass einer unsere ganze Familie unterhalten könnte. Was soll jetzt aus uns werden – Bettler?«
    Fast meine ich, meine eigene Familie vor mir zu sehen. Zum Glück war meine Mutter klug und skrupellos genug, um sich ein ordentliches finanzielles Polster anzulegen und selbst ein Bordell zu eröffnen: Niemand entkommt seinem Karma, nicht einmal ein Buddha.
    Jetzt meldet sich der Bruder zu Wort. »Unser Cousin meint, Polizisten hätten sie her- und wieder weggebracht. Wir glauben, dass irgendein Reicher sie missbraucht und getötet und hinterher die Beamten geschmiert hat.« Er sieht mich vorwurfsvoll an.
    »Ich weiß, dass sie ermordet wurde«, erwidere ich. »Und ich denke nicht, dass man sie vergewaltigt hat.«
    Nun wendet der Vater sich mir zu. Er ist der Typ Mann, den man als Rückgrat unseres Landes bezeichnen könnte, spricht langsam und bedächtig und sehr, sehr höflich, mit zutiefst aufrichtiger Stimme. »Wir sind eine gläubige Familie und spenden dem wat, so viel wir können. Nok hat das auch getan, sogar noch hier in Krung Thep. Ich bin mein Leben lang auf den Feldern gewesen. Als junger Mann habe ich ein ganzes Jahr als Mönch zugebracht. Wenn ich sterbe, gehe ich ins Nirwana ein. Ich möchte nicht mit dem Gedanken leben müssen, dass meine Tochter von einem schlechten Menschen ermordet wurde. Das würde mich wahnsinnig machen.« Er wölbt die schwieligen Hände um seinen Kopf und dreht ihn hin und her. Diese Geste verstärkt mein Gefühl der Hilflosigkeit. Am liebsten würde ich ihm versprechen, dass ich den Killer zur Strecke bringe und seiner gerechten Strafe zuführe wie ein Filmheld, aber wahrscheinlich würde mir nicht einmal diese weltfremde Familie das abkaufen. Sie haben sich bereits mit dem Mord an Nok abgefunden, was sie jetzt wollen, ist Sicherheit für die Zukunft, ein Ersatz für ihre einzige Geldverdienerin. Es gibt keine Tragödie, die sich mit einem endlosen Morgen ohne Reis vergleichen ließe. Die Mutter scheint meine Gedanken zu erraten.
    »Es hat mehr als tausend Baht gekostet, heute hierher zu kommen«, sagt sie mit festem Blick auf mich. Ich hole meine Brieftasche heraus, reiche ihr zweitausend Baht, sehe mich in dem Raum um (in dem ich keine Blutspuren oder Hinweise auf einen Kampf entdecken kann), nicke und verabschiede mich mit einem wai. Draußen trotte ich eine Weile mit hängenden Schultern herum. Dieses Gebäude ist nur eines von Dutzenden, die im Rahmen der Immobilienspekulation hier aus dem Boden schossen und alle identisch sind: lange, fünfgeschossige Anlagen mit gleichförmigen Wohnzellen. Sieht so unser aller Zukunft in dieser Welt der funktionalen Barbarei aus? Ich muss hier weg.
     
    Als ich wieder am Schreibtisch sitze, ruft Vikorn an. »Wo warst

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