Der Bürohengst (Finn Falkner Reihe)
Ich atme erleichtert aus. Ich schäme mich dafür, aber ich fühle mich tatsächlich besser, jetzt da Lukas weg ist. Ja, das wäre wohl die Lösung für alle Probleme: Abstand! Nur ist das gerade nicht so leicht zu bewerkstelligen.
Unter der Dusche gehe ich diesem Gedanken trotzdem weiter nach. Aber erst, als ich gut fünfzehn Minuten später halbwegs fertig bin, komme ich zu einem Ergebnis. Abstand! Aber zu wem? Ich kann nicht weiterhin mit Lukas in einem Zimmer wohnen. Selbst wenn ich Mara rauswerfe und mir mein Zimmer zurückerobere, zählt das wohl kaum als Abstand. Ich muss ausziehen! Eine andere WG, eine eigene Bude, irgendwas …
Wie von Sinnen sammle ich Klamotten zusammen, stopfe sie in meine Reisetasche und schreibe Lukas einen Zettel, den ich ihm auf den Schreibtisch lege:
Ich bin eine Weile weg. Wir brauchen Abstand. Ich liebe dich <3
Gut, das ist vielleicht auch ein wenig dramatisch, aber ich kann nicht noch mal ohne Nachricht abhauen.
Als Mara mich mit der Tasche sieht, macht sie große Augen. „Was – was machst du?“
„Ich ziehe aus, das wolltest du doch, oder?“
„Finn …“
„Schon gut.“ Ich lächle gespielt, klimpere mit den Augen und äffe ihre Stimme nach. „Ich bin dir nicht böse, ich hasse dich nur.“
„Finn, ich wollte nicht …“
Ich ziehe die Tür zu und beeile mich, dass ich nach draußen komme. Marco schaut schon ziemlich nervös, als ich endlich mit meiner Tasche angehetzt komme.
Er steigt aus und geht zum Kofferraum. „Was soll das denn werden?“
„Das nennt sich Beziehungspause.“ Ich werfe meine Tasche in den Wagen und steige ein.
Während der Fahrt sehe ich, dass Marco immer wieder versucht, sich das Grinsen zu verkneifen. Ich ignoriere es, weil mich die Vorstellung sauer macht, dass er sich jetzt als Sieger fühlt. Nichts gönne ich ihm weniger! Glücklicherweise schafft er es irgendwann, sich zusammenzureißen und halbwegs wie ein ernster Geschäftsmann zu wirken.
„Du hättest dir ruhig ein bisschen was Schickes anziehen können“, sagt er, als wir aussteigen und zum Bürogebäude gehen.
Ich habe eine ausgewaschene Jeans an, rote Turnschuhe, dazu eins meiner besseren T-Shirts in Schwarz. Natürlich kein Vergleich zu einem Anzug.
„Hast du einen Anzug?“
Die Frage hatte ich befürchtet. „Nein, selbstverständlich nicht. Meine Klamotten sehen alle so aus, wie ich jetzt rumlaufe. Ich studiere weder Wirtschaftszeug noch arbeite ich in einer Bank …“
„Komm, ich hab dich auch schon besser angezogen gesehen.“
„Muss ich nicht nur im Büro sitzen und auf der Tastatur rumhacken?“
Marco brummt. „Hast du im Seminar nicht zugehört?“
„Ich war größtenteils damit beschäftigt, entweder dich oder Mara scheiße zu finden.“
Er parkt den Wagen und wir steigen aus. Vor uns ragt ein sicher fünfzehnstöckiges Bürohaus in den Himmel. Marco nickt hier und da jemandem zu. Dann eilt er voraus und hält mir die Tür auf.
„In der Unternehmenskommunikation haben wir eigentlich pausenlos Kundenkontakt. Man muss nicht immer absolut piekfein aussehen, aber Casual Business ist das Mindeste.“
Ich reiße die Augen auf. „Ach so, ja klar.“
„Legere Geschäftskleidung. Ich merke schon, wir müssen dringend einkaufen gehen. Guten Morgen!“ Die Begrüßung gilt den beiden Damen vom Empfang.
Ich nicke nur. Die Empfangshalle ist riesig und sieht ziemlich modern und nobel aus. Okay, langsam verstehe ich, was Marco an meinen Klamotten auszusetzen hat. Habe ich mich gerade noch wohlgefühlt, komme ich mir hier drin wie ein Penner vor.
Im Aufzug schaue ich auf die Namensschilder. K&K Unternehmensberatung steht ganz oben. Gleich zwei Etagen. Ansonsten Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, eine Werbeagentur und ein paar Namen, bei denen kein Geschäftsfeld dabeisteht.
„Ganz locker.“ Marco lächelt mich an. In diesem Moment mag ich ihn erstaunlicherweise ein bisschen. Da liegt was Väterliches in seinem Blick. Aber dann fällt mir wieder ein, dass er gern über mich bestimmt. Auch jetzt macht er mich im Grunde nur klein. Und ich lasse das zu, weil ich zugestimmt habe, für ihn zu arbeiten. Die Uni ist mir sonst auch nicht sooo wichtig. Also muss es doch das Geld sein, das mich überzeugt hat, mitzumachen.
Ich verdränge den Gedanken.
Marco fängt gleich an, mich überall vorzustellen, als wir aussteigen. Alles junge Leute in guter Kleidung – Casual Business Minimum –, die mir sofort die Hand geben und breit lächeln. Wirklich
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