Der Bürohengst (Finn Falkner Reihe)
noch Student.“
Sören nickt, als hätte er sich das bereits gedacht. „Ich arbeite auch erst seit ein paar Wochen hier. Dann mal viel Spaß.“
„Ja, danke.“
Toddy räuspert sich, um meine Aufmerksamkeit wiederzugewinnen. Hoffentlich hat er nicht meinen Blick bemerkt, der sich auf Sörens Business -Hintern verirrt hat.
„Marco hat mir geschrieben, dass du Sprachwissenschaften studierst. Also dürfte dir ja alles, was mit Kommunikation zu tun hat, nicht ganz unbekannt vorkommen.“
„Mh-mh“, stimme ich unsicher zu.
Dann gibt mir Toddy Anweisung, wo ich auf meinem Rechner die gewünschten Daten finde, mit denen ich üben soll. Es gibt ein paar Firmenprofile, die zu Testzwecken angelegt worden sind. Dazu Fallbeispiele, weswegen der Kunde einen Beratungsvertrag abschließt. In meinem ersten Fall hat der Geschäftsführer Umsatzeinbußen, weil er sein Werbeversprechen gebrochen und damit Kunden verprellt hat. Jetzt soll ich Toddy eine Strategie schreiben, welche Maßnahmen notwendig sind, um dem Kunden zu helfen. Na herzlichen Glückwunsch! Die nächsten Stunden lese ich mir Beispielberichte durch und versuche ein Gespür dafür zu bekommen, wie sich mein fiktiver Geschäftsführer am besten gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Medien verhalten sollte. Immer wenn ich überlegen muss, schaue ich automatisch zu Sören …
Schöne neue …
„Und? Wie sieht’s aus?“, fragt Marco plötzlich. Ich bin gerade in ein Gespräch mit Toddy vertieft. Er meint, dass ich instinktiv schon ganz gute Ratschläge gegeben habe, um meinen fiktiven Kunden zu beraten. Aber selbstverständlich reicht das noch nicht. In der letzten Stunde habe ich mir sicher zwanzig Vokabeln aufgeschrieben, die mir Toddy erklärt hat. Ich sollte zwar an Unterricht gewöhnt sein, aber inzwischen ist es tatsächlich siebzehn Uhr und ich fühle mich, als hätte ich noch nie in meinem Leben so viel Zeit an einem Schreibtisch verbracht.
„Alles bestens.“ Ich sehe auf und ringe mir ein Lächeln ab.
„Das wird schon“, fügt Toddy an. „Der erste Tag ist immer eine Katastrophe. Oder sagen wir mal, die erste Woche.“
„Schön, wenn meine faulsten Studenten das Arbeiten lernen.“ Marco lacht. „Wie weit seid ihr denn?“
„Ach, von mir aus können wir Schluss machen“, sagt Toddy. „Was meinst du, Finn, kommst du morgen wieder?“
„Klar“, antworte ich automatisch. Ganz sicher bin ich mir aber nicht. Auch wenn Toddy der Meinung ist, dass ich meine Aufgaben einigermaßen ordentlich erledigt habe, fühle ich mich wie der dümmste Mensch im ganzen Gebäude. So schnell wünscht man sich zum stupiden Alltag mit Kohleschaufeln und Temperaturüberwachung zurück.
„Gut. Finn, kommst du dann bitte mit, ich hab noch ein paar Sachen zu besprechen.“
Toddy zieht die Augenbrauen hoch, was wohl so viel heißen soll wie: so-so, schau an.
Im Aufzug fragt mich Marco: „So, und jetzt ehrlich?“
„Ich glaub, ich bin zu dumm. Und ich bin saumüde!“
Marco lacht.
Eine Etage höher sieht es noch nobler aus. Die Raumaufteilung ist weitläufig mit einer Lounge in der Mitte. Ringsum überall teils gläserne Konferenzräume.
„Ich wollte dich vorhin nicht mit hochnehmen, weil mein Vater da war. Hier rüber.“ Marco zeigt nach links.
Erst jetzt fällt mir ein, dass K&K natürlich bedeutet, dass auch Marcos Vater irgendwo sein Büro hat. Wie unangenehm! Das wäre wirklich peinlich geworden, nachdem uns Senior Kehlmann doch schon mal beim Sex erwischt hat und wahrscheinlich immer noch davon ausgeht, dass wir eine Beziehung haben. Da würde er sich ganz sicher seinen Teil denken, wenn ich jetzt hier oben mit Marco allein …
Ich bleibe stehen. Wir sind tatsächlich allein. Plötzlich weiß ich, warum Marco mir erst nach Dienstschluss sein Büro zeigen will.
„Was ist?“, fragt Marco. „Willst du mein Büro nicht sehen?“
„Doch schon, aber …“
Marco lacht wieder. „Stell dich nicht so an, es geht nur um das Büro.“
Ich folge ihm in einen Gang. Rechts geht es in eine Küche. Weiter geradeaus, hinter einer recht unscheinbaren Tür, liegt Marcos Büro. Ich bin überwältigt. Zwei Wände bestehen komplett aus Glas. Hinter dem überdimensionalen Schreibtisch baut sich über die gesamte Wand ein bis unter die Decke restlos gefülltes Bücherregal auf. In der Mitte ein Tisch mit sechs Stühlen drum herum. In der äußersten Ecke, wo sich die beiden Glasfronten treffen, steht eine gemütliche Sitzecke, so
Weitere Kostenlose Bücher