Der Buick: Roman (German Edition)
ein wenig länger dort, und Curts Sohn kam als Letzter zurück zur Kasernenseite des Parkplatzes. Auch hier fiel der Apfel wieder nicht weit vom Stamm. Curtis war immer am längsten vor den Fenstern stehen geblieben. Wenn er denn Zeit dazu hatte. Er nahm sich aber nie extra Zeit dafür, denn der Buick hatte nie Vorrang. Wäre dem so gewesen, dann hätten wir uns mit ziemlicher Sicherheit an diesem Abend vor dem Tap geschlagen, statt die Sache mit einem Lachen beizulegen. Wir vertrugen uns wieder, weil es schlecht für die Troop gewesen wäre, wenn wir uns geprügelt hätten, und die Troop war ihm immer wichtiger als alles andere – als der Buick, seine Frau und seine Familie, als er dann eine hatte. Ich weiß noch, dass ich ihn mal gefragt habe, worauf er in seinem Leben am stolzesten sei. Das war so um 1986 herum, und ich hatte erwartet, er würde sagen, auf seinen Sohn. Seine Antwort aber lautete: Darauf, dass ich diese Uniform trage. Ich konnte das nachvollziehen, aber, ehrlich gesagt, entsetzte mich diese Antwort auch ein wenig. Aber das war seine Rettung, verstehen Sie? Der Stolz auf die Arbeit, die er leistete, und die Uniform, die er trug, gaben ihm einen Halt, ohne den ihn der Buick möglicherweise aus dem Gleichgewicht gebracht und in eine wahnhafte Besessenheit getrieben hätte. Aber war der Dienst bei der Polizei nicht auch die Ursache für seinen Tod? Doch, vermutlich schon. Aber dazwischen lagen viele gute Jahre. Und jetzt war da dieser Junge, der einem Sorgen machte, weil er diese Arbeit, die ihm Halt gegeben hätte, nicht hatte. Er hatte nur eine Menge Fragen und glaubte naiverweise, er würde die Antworten darauf allein deshalb schon bekommen, weil er sie unbedingt hören wollte. Quatsch mit Soße, wie sein Vater vielleicht gesagt hätte.
» Es ist noch ’n Tick kälter geworden da drin«, sagte Huddie, als wir uns alle wieder gesetzt hatten. » Muss nichts bedeuten, aber vielleicht hat er ja noch ein oder zwei Überraschungen in petto. Wir halten besser mal die Augen offen.«
» Und was ist dann passiert, nachdem ihr euch fast geschlagen hättet?«, fragte Ned. » Und erzähl mir jetzt bitte nichts von Anrufen und Funksprüchen und irgendwelchen Routinedingen. Damit kenne ich mich aus. Schließlich lerne ich in der Leitstelle.«
Aber was lernte er dort? Was wusste er denn im Grunde, nachdem er mit offizieller Erlaubnis einen Monat lang in der Leitstelle gesessen hatte, mit dem Funkgerät dort und den Computern und Modems? Die Routine bei diesem Job und wie man funkte und telefonierte – ja, das hatte er sich schnell angeeignet, und er hörte sich unglaublich professionell an, wenn er sich am roten Telefon mit State Police Statler, Troop D, PCO Wilcox am Apparat, was kann ich für Sie tun? meldete –, aber wusste er auch, dass jeder Anruf und jeder Funkspruch Glied einer Kette war? Dass diese Ketten überall waren und mit jedem neuen Glied stärker wurden? Wie sollte man von einem jungen Mann, und sei er noch so klug, erwarten, das zu wissen? Das sind die Ketten, die wir im Leben schmieden, um mal ein Zitat von Jacob Marley abzuwandeln. Wir schmieden sie, wir tragen sie, und manchmal verbinden sie uns auch. Im Grunde hatte sich George Morgan nicht in seiner Garage erschossen; im Grunde hatte er sich in so einer Kette verfangen und sich daran aufgehängt. Das aber erst, nachdem er uns geholfen hatte, an einem brutal heißen Sommertag nach dem Tanklasterunglück in Poteenville Mister Dillon zu begraben.
Mit Funksprüchen und Anrufen hatte es nichts zu tun, dass Eddie Jacubois seine Freizeit immer mehr im Tap verbrachte; mit Polizeiroutine hatte es nichts zu tun, dass Andy Colucci seine Frau betrog, sich in flagranti erwischen ließ, sie um eine zweite Chance anflehte und keine bekam; und es gab keine Funk-Codes dafür, dass Matt Babicki ging und Shirley Pasternak kam. Es gibt halt einfach Dinge, die man nicht erklären kann, solange man nicht von diesen Ketten weiß, von denen manche die Liebe schmiedet und manche der pure Zufall. Wie Orville Garrett da weinend am eben zugeschütteten Grab von Mister Dillon kniete, das Halsband darau fl egte und sagte: Es tut mir so leid, Partner, es tut mir so leid.
Oder auch die Nachfolgerauslese für den Posten des Sergeant Commanding, die Ende der Achtziger anfing, und das recht unverhohlene Konkurrenzgerangel zwischen Curt und mir, das damit einherging. Einer von uns beiden würde wahrscheinlich die Leitung der Troop D übernehmen, wenn Tony Schoondist in
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