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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gerufen, dann hätte ihn das auch nicht gewundert. Manchmal lassen einen Vernunft und Logik eben einfach im Stich. In diesem Moment wollte er Herb dabeihaben. Die Leitstelle durfte nie unbesetzt sein, das war eine Grundregel, die jeder bei der Polizei auf dem Lande kannte. Aber Regeln waren dazu da, gebrochen zu werden, und Herb würde in seinem ganzen Leben nie wieder so etwas sehen, keiner von ihnen würde das, und wenn Sandy es schon nicht auf Video aufnehmen konnte, hatte er so doch wenigstens einen Zeugen. Zwei, wenn George je wiederkam.
    Herb kam aus der Kaserne gerannt, als hätte er die ganze Zeit über an der Hintertür gestanden und durch die Fliegengaze zugeschaut. In dem roten Licht sprintete er über den fast verwaisten Parkplatz. Er sah ebenso ängstlich wie lebhaft interessiert aus. Als er dort ankam, raste George gerade mit Volldampf um die Schuppenecke und fuchtelte mit einer frischen Batterie für die Videokamera. Er sah aus wie ein Quizshowkandidat, der gerade den großen Preis gewonnen hatte.
    » O Mann, was ist denn das für ein Gestank?«, fragte Herb und hielt sich eine Hand vor Mund und Nase und war nach Mann kaum noch zu verstehen.
    » Der Gestank ist noch nicht mal das Schlimmste«, sagte Sandy. » Schau’s dir lieber an, solange es noch da ist.«
    Beide schauten sie hinein und schrien vor Ekel auf. Der Fisch war mittlerweile in ganzer Länge aufgeplatzt und sank in sich zusammen – sank in die schwarze Flüssigkeit, die anscheinend sein Blut war. Weiße Schwaden stiegen von dem Kadaver und den Eingeweiden auf, die aus dem klaffenden Riss geplatzt waren. Der Dunst war so dicht wie der Rauch, der von einem schwelenden, feuchten Laubhaufen aufstieg. Bald hüllte er den Buick ein, bis der Roadmaster nur noch ein Geisterauto war.
    Hätte es mehr zu sehen gegeben, dann hätte Sandy vielleicht noch länger an der Kamera herumgefummelt, hätte die Batterie vielleicht erst mal falsch herum eingelegt oder den ganzen Apparat in seiner täppischen Hast umgestoßen und kaputt gemacht. Doch dass dort, so sehr er sich auch beeilte, kaum noch etwas zu filmen war, hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn, und er setzte die Batterie auf Anhieb richtig herum ein. Als er nun wieder in den Sucher blickte, bekam er ein helles, deutliches Bild, auf dem aber nicht viel zu sehen war: ein sich au fl ösendes amphibisches Wesen, das möglicherweise ein fantastisches Seeungetüm auf dem Trockenen war, möglicherweise aber auch nur eine Fischvariante des Riesen von Cardiff, die auf einem versteckten Block Trockeneis lag. Auf der Kassette, die er an diesem Abend aufnahm, kann man etwa zehn Sekunden lang recht deutlich das rosafarbene Gewirr erkennen, das den Kopf der Amphibie bildete, und dazu einige sich schnell verflüssigende rote Klumpen vor dem Kadaver; ferner sieht man etwas, was wie schmutziger Meerschaum aussieht, aus dem Schwanz des Wesens quellen und in einem trägen Bächlein über den Betonboden rinnen. Dann ist das Wesen, das zuckend aus dem Kofferraum des Buicks geplumpst war, größtenteils verschwunden, nur noch ein Schatten im Nebel. Auch der Wagen ist kaum noch zu sehen. Der offen stehende Kofferraum aber ist trotz des Dunstes noch zu erkennen und sieht aus wie ein weit aufgesperrtes Maul. Kommt näher, Kinder, seht euch dieses lebendige Krokodil an!
    George trat würgend und kopfschüttelnd beiseite. » Mann, dieser Gestank! «
    Sandy dachte wieder an Curt, der ausnahmsweise gleich nach Feierabend nach Hause gefahren war. Michelle und er hatten Großes vor: ein Abendessen im Cracked Platter in Harrison und anschließend einen Film im Kino. Das Essen war vermutlich mittlerweile vorbei, und jetzt saßen sie wahrscheinlich im Kino. Und in welchem? Es gab drei im näheren Umkreis. Hätten sie Kinder gehabt statt dieser Vision eines Babys, dann hätte Sandy bei ihnen zu Hause anrufen und den Babysitter fragen können. Aber hätte er das denn getan? Vielleicht nicht. Nein, wahrscheinlich nicht. Curt war im Laufe der vergangenen anderthalb Jahre etwas ruhiger geworden, und Sandy hoffte, das würde so weitergehen. Er hatte Tony des Öfteren sagen hören, dass man bei jeder Polizeieinheit, die etwas taugte, den Wert eines Mannes am besten anhand der aufrichtigen Antwort auf eine einzige Frage einschätzen könne: Wie läuft es bei dir zu Hause? Es war eben nicht nur ein gefährlicher, sondern auch ein verrückter Job, der einem jede Menge Gelegenheit bot, die allerschlimmsten Dinge mitzuerleben. Damit ein

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