Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
sieht, nicht wahr? Es ist, als ob jemand mit den Fingernägeln über eine Tafel kratzt.«
    Sandy nickte. Genau das war’s.
    » Aber was löst diese Reaktion aus?«, fragte Curt. » Ich komme einfach nicht drauf. Du?«
    » Nein.« Sandy leckte sich die Lippen, die mit einem Mal ganz trocken waren. » Aber ich glaube, es ist der Gesamteindruck. Das Weiß macht schon viel aus.«
    » Das Weiß. Die Farbe.«
    » Ja. Eklig. Wie der Bauch einer Kröte.«
    » Oder wie Spinnweben in Blumen«, sagte Curt.
    Sie sahen einander kurz an und versuchten zu lächeln, aber es gelang ihnen mehr schlecht als recht. Die State-Police-Poeten, die Trooper Robert Frost und Walt Whitman. Als Nächstes würden sie das verdammte Ding noch mit einem Sommertag vergleichen. Aber man musste es einfach versuchen, denn anscheinend konnte man das, was man da sah, nur begreifen, indem man es wie ein Dichter auffasste.
    Sandy gingen auch noch andere, etwas weiter hergeholte Vergleiche durch den Kopf. Weiß wie eine Hostie im Mund einer toten Frau. Weiß wie eine Pilzinfektion unter der Zunge. Weiß vielleicht wie der Schaum der Schöpfung jenseits der Grenzen des Universums.
    » Dieses Zeug kommt von einem Ort, von dem wir nicht das Geringste wissen«, sagte Curtis. » Unsere Sinne sind überhaupt nicht in der Lage, es zu erfassen. Und darüber zu reden ist eigentlich lächerlich – da könnte man genauso gut versuchen, ein vierseitiges Dreieck zu beschreiben. Schau mal da, Sandy. Siehst du das?« Er zeigte auf einen trockenen, braunen Fleck unter einer dieser lilienartigen, fahlen Blüten.
    » Ja, das sehe ich. Sieht wie ein Brandfleck aus.«
    » Und es wird größer. Die ganzen Flecken werden größer. Und schau mal da an der Blüte.« Ein weiterer brauner Fleck, der sich deutlich sichtbar ausbreitete und ein immer größeres Loch in die zarten, weißen Blütenblätter fraß. » Es zersetzt sich. Es geht nicht so ein wie die Fledermaus und der Fisch, aber trotzdem stirbt es, nicht wahr?«
    Sandy nickte.
    » Ziehst du bitte mal den Müllsack aus meinem Gürtel und hältst ihn auf?«
    Sandy tat wie gebeten. Curt fasste in den Kofferraum und packte die Pflanze gleich oberhalb des Wurzelgeflechts. In diesem Moment wehte ein Hauch des wässrigen, fauligen Kohl- und Gurkengestanks zu ihnen hoch. Sandy wich einen Schritt zurück, hielt sich eine Hand vor den Mund, versuchte nicht zu würgen und würgte dann doch.
    » Halt den Sack auf, Mann!«, rief Curt mit erstickter Stimme. Es hörte sich an, als hätte er einen tiefen Zug aus einem Joint genommen und wollte den Rauch nun so lange wie möglich in der Lunge behalten. » Mann, das fühlt sich vielleicht eklig an! Auch durch die Handschuhe noch!«
    Sandy hielt den Müllsack auf und schüttelte ihn lose. » Dann beeil dich!«
    Curt warf die verrottende Lilienpflanze hinein, und sogar das Geräusch, mit dem sie innen an dem Plastiksack hinabglitt, war irgendwie entsetzlich – wie das leise Kreischen von etwas, was zwischen zwei Brettern eingezwängt wurde und fast lautlos erstickte. Keiner ihrer Vergleiche traf zu, aber jeder schien kurz ein Licht auf das zu werfen, was im Grunde unbegrei fl ich war. Sandy Dearborn fand keine Worte dafür, wie vollkommen abstoßend diese Leichenlilien waren. Sie und alle Fehlgeburten des Buicks. Wenn man zu lange darüber nachdachte, wurde man womöglich tatsächlich wahnsinnig dabei.
    Curt wollte sich schon die behandschuhten Hände an seinem Hemd abwischen, ließ es dann aber doch bleiben. Stattdessen beugte er sich über den Kofferraum des Buicks und rieb sie kurz an der braunen Matte darin ab. Dann zog er sich die Handschuhe aus, wies Sandy mit einer Geste an, den Müllsack noch einmal zu öffnen, und warf sie auf die Lilien. Der Gestank drang wieder heraus, und Sandy musste daran denken, wie ihm seine Mutter, als sie schon ganz von Krebs zerfressen war und keine Woche mehr zu leben hatte, einmal ins Gesicht gerülpst hatte. Sein instinktiver, aber nur halbherziger Versuch, diese Erinnerung zu verdrängen, ehe sie ihm ganz ins Bewusstsein dringen konnte, nützte nichts.
    Bitte, ich will nicht, dass mir schlecht wird, dachte Sandy. O bitte nicht!
    Curt sah noch einmal nach, dass die Polaroidfotos, die er geschossen hatte, noch in seinem Hosenbund steckten, und knallte dann den Kofferraumdeckel des Buicks zu. » Hauen wir ab hier, Sandy. Was meinst du?«
    » Ich sage: Das ist die beste Idee, die du dieses Jahr hattest.«
    Curt zwinkerte ihm zu. Es war so ein richtiges

Weitere Kostenlose Bücher