Der Buick: Roman (German Edition)
altes Ding, aber der Rock war nagelneu. Und hübsch . Am Abend zuvor hatte ich noch eine halbe Stunde lang den Saum umgenäht.
Ich hab geschrien, und da haben sie endlich aufgehört zu schubsen und zu boxen. Justin hatte immer noch ein Bein um Herbs Hüfte geschlungen und hielt ihn immer noch am Hals gepackt. Herb sah mich an, und sein Mund stand weit offen. Er war ja eigentlich ein netter Kerl (über Islington kann ich nicht viel sagen, der wurde zur Troop K nach Media versetzt, ehe ich ihn richtig kennenlernte), aber wie er so mit aufgesperrtem Mund dastand, sah Herb Avery aus wie der hinterletzte Dorftrottel.
» Shirley, Herrgott!«, sagte er. Er hat sich immer wie Arky angehört, fällt mir da ein; der gleiche Akzent, nur nicht ganz so stark. » Ich hab dich ja gar nicht gesehen.«
» Das wundert mich nicht«, sagte ich. » Wenn er da versucht, auf dir zu reiten, als wärst du ein Pferd beim Kentucky Derby.«
» Tut’s weh?«, fragte Justin.
» Und ob das wehtut«, sagte ich. » Dieser Rock hat bei J. C. Penny fünfunddreißig Dollar gekostet, und ich habe ihn heute zum ersten Mal bei der Arbeit an, und jetzt ist er im Eimer. Da kannst du wohl glauben, dass das wehtut.«
» O Mann, jetzt beruhig dich doch, es tut uns ja leid«, sagte Justin. Er besaß sogar noch die Frechheit, sich ganz gekränkt anzuhören. Das ist auch typisch Mann: Wenn sie sagen, es tut ihnen leid, erwarten sie, dass man sofort wieder das liebe Frauchen ist, denn damit ist ja alles wieder gut. Dann ist es ganz egal, ob sie ein Fenster eingeworfen, das Rennboot in die Luft gejagt oder das Collegegeld für die Kinder in Atlantic City beim Blackjack verzockt haben. Das geht dann immer so: Ich hab doch gesagt, es tut mir leid. Musst du da jetzt gleich ein Kapitalverbrechen draus machen?
» Shirley …«, fing Herb an.
» Nicht jetzt, Schätzchen, nicht jetzt«, sagte ich. » Haut jetzt bloß hier ab. Geht mir aus den Augen.«
Trooper Islington hatte sich währenddessen schon eine Handvoll Servietten vom Küchentresen geschnappt und fing an, vorn meinen Rock abzutupfen.
» Hör auf!«, hab ich gesagt und sein Handgelenk gepackt. » Was glaubst du, wo du hier bist? Im Streichelzoo, oder was?«
» Ich dachte bloß … falls es noch nicht eingezogen ist …«
Ich fragte ihn, ob er denn überhaupt keine Kinderstube habe, und da fing er gleich an: Ach Gott, wenn du so drauf bist; völlig eingeschnappt und beleidigt.
» Tu dir selbst einen Gefallen, und geh jetzt sofort raus«, hab ich gesagt. » Sonst kriegst du gleich diese Kaffeekanne hier an den Kopf.«
Und raus sind sie, eher geschlichen als gegangen, und haben eine ganze Zeit lang einen großen Bogen um mich gemacht, Herb ganz betreten und Justin Islington immer noch mit diesem verdatterten, gekränkten Blick im Gesicht – Ich hab doch gesagt, dass es mir leidtut. Was willst du denn noch? Soll ich dir die Füße küssen?
Und dann, eine Woche später – genauer gesagt: an dem Tag, an dem dann die Hölle losbrach –, kamen sie um zwei Uhr nachmittags in die Leitstelle, Justin vorn weg mit dem Blumenstrauß und Herb hinterher. Es sah aus, als ob er sich förmlich hinter ihm versteckt hatte, nur falls ich mit Briefbeschwerern nach ihnen schmeiße.
Also, ich bin nicht besonders nachtragend. Das kann jeder bestätigen, der mich kennt. Ein oder zwei Tage lang vielleicht, aber dann ist das passé. Und die beiden sahen auch richtig süß aus, wie zwei kleine Jungs, die sich bei der Lehrerin dafür entschuldigen wollen, dass sie in Gemeinschaftskunde hinten in der letzten Reihe randaliert haben. Das ist auch so was, womit einen die Männer immer wieder rumkriegen: dass sie sich förmlich vom einen Augenblick zum nächsten von großmäuligen Flegeln, die sich in der Kneipe wegen absolutem Blödsinn – Baseballergebnissen, um Himmels willen! – gegenseitig aufschlitzen, in wahre Engel verwandeln, die einem Bild von Norman Rockwell entsprungen sein könnten. Und ehe man sich’s versieht, wollen sie einem dann anschließend meist an die Wäsche.
Justin hielt mir den Blumenstrauß hin. Den hatten sie auf der Wiese hinter der Kaserne gepflückt. Gänseblümchen und Sonnenhut und solche Sachen. Auch Löwenzahn, wenn ich mich recht erinnere. Aber das machte es ja gerade so süß und entwaffnend. Wären es Treibhausrosen gewesen, die sie in der Stadt gekauft hätten, und nicht dieser Kinder-Blumenstrauß, dann wäre ich vielleicht noch ein bisschen länger sauer gewesen. Denn das war ein
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