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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gesicht so noch mehr. Die Hand, in der sie die Zigarette hielt, lag nun auf ihrem Hosenbein, und der Rauch stieg in einer geraden Säule auf.
    » Ich möchte, dass Sie uns folgen, Miss McCracken«, sagte ich so freundlich wie ich nur konnte. Es sollte mitfühlend und verständnisvoll und vertraulich klingen. So soll man das machen, sagen einem die Seelenklempner und Familientherapeuten, aber was wissen die denn schon? Ich kann diese ganzen Blödmänner nicht ausstehen, ja, das ist die hässliche Wahrheit. Die kommen aus der Mittelschicht, riechen nach Haarspray und Deo und erzählen einem was von häuslicher Gewalt und mangelndem Selbstwertgefühl, aber von so Gegenden wie Lassburg County haben sie keinen blassen Schimmer, von Gegenden, die einfach abgemeldet sind, seit es mit der Kohle zu Ende ist und der Stahl nur noch aus Japan und China kommt. Hört eine Frau wie Sandra McCracken überhaupt zu, wenn man mitfühlend und verständnisvoll und vertraulich mit ihr spricht? Früher vielleicht mal. Aber mittlerweile wohl nicht mehr. Hätte ich ihr andererseits die Haare aus dem Gesicht gestrichen, sodass sie mich hätte ansehen müssen, und hätte sie angeschrien: › DU KOMMST MIT ! DU KOMMST MIT UND ZEIGST IHN WEGEN KÖRPERVERLETZUNG AN ! DU KOMMST MIT , DU DUMME VERPRÜGELTE SCHLAMPE ! DU WILLFÄHRIGE FOTZE ! DU WIRST SCHON SEHEN , DASS DU MITKOMMST !‹, dann hätte das möglicherweise schon anders ausgesehen. Das hätte vielleicht gezogen. Man muss ihre Sprache sprechen. Die Seelenklempner und Therapeuten – die wollen das nicht hören. Die weigern sich zu glauben, dass es so eine Sprache überhaupt gibt. Die weigern sich zu glauben, dass es Frauen gibt, die einen nicht ernst nehmen und einem überhaupt nicht zuhören, solange man sie nicht Schlampe oder Fotze nennt. Oder vielleicht geht das auch einfach nur auf die Ohren, wenn man ständig so vollgedröhnt ist.
    Sie schüttelte wieder den Kopf. Sah mich nicht an. Sie rauchte und sah mich nicht an.
    » Ich möchte gern, dass Sie mitkommen und Mr. Lippy wegen Körperverletzung anzeigen. Ihnen bleibt im Grunde nichts anderes übrig, denn wir haben gesehen, wie er Sie geschlagen hat. Mein Partner und ich sind direkt hinter Ihnen gefahren, und wir konnten das gut sehen.«
    » Ich muss das nicht«, sagte sie. » Und Sie können mich nicht dazu zwingen.« Sie verbarg ihr Gesicht immer noch hinter ihrer fettigen, brünetten Mähne, hörte sich aber ruhig und selbstsicher an. Sie wusste, dass wir sie nicht zwingen konnten, ihn anzuzeigen, denn sie hatte so etwas schon mal erlebt.
    » Wie lange wollen Sie sich das noch gefallen lassen?«, fragte ich.
    Keine Antwort. Den Kopf gesenkt. Das Gesicht verborgen. Wie sie schon mit zwölf den Kopf gesenkt und das Gesicht verborgen hatte, wenn der Lehrer sie was Schwieriges fragte oder sich die anderen Mädchen über sie lustig machten, weil sie eher als die anderen Brüste bekam, große Brüste. Deshalb lassen sich diese Mädchen die Haare lang wachsen: um sich dahinter zu verstecken. Aber dass ich das wusste, machte mich nicht geduldiger ihr gegenüber. Nein, eher ungeduldiger. Denn, weißt du, in dieser Welt musst du selber zusehen, dass du nicht unter die Räder kommst. Vor allem, wenn du nicht so hübsch bist.
    » Sandra.«
    Ihre Schultern bewegten sich ein wenig, als ich sie bei ihrem Vornamen nannte. Mehr nicht. Mann, diese Frauen machen mich vielleicht wütend. Wie schnell die aufgeben. Die kriegen einfach den Arsch nicht hoch.
    » Sandra, sehen Sie mich an.«
    Sie wollte nicht, aber sie würde schon noch. Sie war’s gewöhnt, Männern zu gehorchen. Das war gewissermaßen ihre Lebensaufgabe.
    » Drehen Sie den Kopf her, und sehen Sie mich an.«
    Sie drehte den Kopf in meine Richtung, schaute aber weiterhin zu Boden. Ihr Gesicht war immer noch blutig. Es war kein schlechtes Gesicht. Wahrscheinlich war sie sogar ein wenig hübsch, wenn sie nicht gerade verdroschen worden war. Und sie sah auch nicht so dumm aus, wie man gemeint hätte. So dumm, wie sie gern gewesen wäre.
    » Ich will nach Hause«, sagte sie mit leiser Kleinmädchenstimme. » Ich hatte Nasenbluten, und ich muss mich waschen.«
    » Ja, ich weiß. Und wie kam das? Sind Sie gegen eine Tür gelaufen? Das war’s doch bestimmt, nicht wahr?«
    » Ja, genau. Gegen eine Tür.« Nicht ein Fünkchen Aufsässigkeit in ihrem Blick. Keine Spur von der ICH - FRESSE - AMISH -Einstellung ihres Freundes. Sie wartete einfach nur ab, bis es vorüber war. Diese Plauderei am

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