Der Buick: Roman (German Edition)
kann sich natürlich ändern. Ganz schnell.
» Wie heißen Sie, Ma’am?«
» Sandra.«
» Und weiter?«
» McCracken.«
» Können Sie sich ausweisen, Miss McCracken?«
» Ja.«
» Dann tun Sie’s bitte.«
Neben ihr auf dem Sitz lag eine kleine Unterarmtasche aus Kunstleder. Sie machte sie auf und suchte darin herum. Sie tat das langsam, aber deshalb kam sie mir nicht stoned vor. Wie sie sich so über die Tasche beugte, war ihr Gesicht nicht mehr zu sehen. Man sah nur noch das Blut auf ihrem Oberteil, aber nicht mehr das auf ihrem Gesicht; man sah die geschwollenen Lippen nicht, die ihren Mund aussehen ließen wie eine aufgeschnittene Pflaume, und man sah auch das Veilchen nicht mehr, das sich um eines ihrer Augen bildete.
Und hinter mir hörte ich: » Scheiße, nein, ich steige da nicht ein. Wie kommen Sie darauf, Sie hätten das Recht, mich da reinzustecken?«
Ich sah mich um. George hielt die Hintertür des Streifenwagens auf. Ein Limousinenchauffeur hätte das nicht hö fl icher hinbekommen. Nur dass Limousinen hinten keine Türen haben, die man von innen nicht aufbekommt und deren Fenster man nicht runterkurbeln kann; und da ist auch kein Drahtgitter zwischen hinten und vorn. Und in Limousinen stinkt es hinten auch nicht immer leicht nach Kotze. Ich habe noch keinen Streifenwagen gefahren – na gut, als wir die neuen Caprices kriegten: da eine Woche lang oder so –, in dem es nicht ständig schwach nach Kotze gestunken hätte.
» Ich bilde mir ein, das Recht dazu zu haben, weil Sie festgenommen sind, Brian. Habe ich Ihnen nicht gerade Ihre Rechte verlesen?«
» Aber weshalb denn, Mann? Ich bin nicht zu schnell gefahren!«
» Stimmt, Sie waren zu sehr damit beschäftigt, sich an Ihrer Freundin auszulassen, um so richtig Gas zu geben, aber Sie sind rücksichtslos gefahren und haben andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Dazu kommt noch Körperverletzung – das wollen wir nicht vergessen. Also steigen Sie ein.«
» Mann, Sie können …«
» Steigen Sie ein, Brian, oder ich lege Ihnen die Handschellen gewaltsam an. Und zwar so, dass es wehtut.«
» Das will ich sehen.«
» Wollen Sie, ja?«, fragte George, und seine Stimme war trotz der Stille an diesem schläfrigen Nachmittag fast nicht zu hören.
Brian Lippy wurden zwei Dinge klar. Erstens, dass George das tun konnte, und zweitens, dass George es auch tun wollte . Und Sandra McCracken würde es mitansehen. Es war nicht gut, wenn man seine Tussi sehen ließ, wie einem Handschellen angelegt wurden. Es war schon schlimm genug, wenn sie sah, wie man festgenommen wurde.
» Sie hören von meinem Anwalt«, sagte Brian Lippy und setzte sich hinten in den Streifenwagen.
George knallte die Tür zu und sah mich an. » Wir hören von seinem Anwalt.«
» Wie ich das hasse«, sagte ich.
Die Frau stupste mir mit irgendwas an den Arm. Ich drehte mich um und sah, dass es ihr Führerschein war. » Hier«, sagte sie. Sie sah mich an. Es war nur ein kurzer Moment, ehe sie sich wieder abwandte, weiter in ihrer Tasche wühlte und ein paar Papiertaschentücher hervorkramte, aber dieser Moment reichte mir, um festzustellen, dass sie tatsächlich nüchtern war. Seelisch tot, aber nüchtern.
» Trooper Jacubois, der Fahrer des Wagens gibt an, sein Fahrzeugschein befände sich in der Fahrerkabine«, sagte George.
» Ja, ich habe ihn.«
George kam zu mir an die albern aufgemotzte hintere Stoßstange des Pick-up – VORSICHT ! ICH HÖRE AUF STIMMEN ! ICH FRESSE AMISH –, und ich reichte ihm den Fahrzeugschein.
» Macht sie’s?«, fragte er leise.
» Nein«, sagte ich.
» Sicher?«
» Ziemlich.«
» Versuch’s trotzdem«, sagte George und ging zurück zum Streifenwagen. Mein ehemaliger Mitschüler brüllte auf ihn ein, als George sich zum Fahrerfenster hineinbeugte und das Mikro nahm. George ignorierte ihn, ging in die Sonne und zog das Mikrokabel auf ganze Länge aus. » Zentrale, hier ist Wagen sechs, bitte kommen.«
Ich ging zurück zur offenen Beifahrertür des Pick-ups. Die Frau hatte die Zigarette in dem überquellenden Aschenbecher ausgedrückt und sich eine neue angesteckt. Sie war wieder hektisch am Paffen. Unter ihrem Lockenschopf kamen Rauchwölkchen hervor.
» Miss McCracken, wir nehmen Mr. Lippy mit aufs Revier, zur Troop D. Ich möchte, dass Sie uns folgen.«
Sie schüttelte den Kopf und tupfte mit den Taschentüchern ihr Gesicht ab. Dabei senkte sie eher den Kopf, als die Taschentücher ans Gesicht zu heben, und ihr Haar verbarg ihr
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