Der Buick: Roman (German Edition)
diesem Tag vor der Grundschule Poteenville.
» Mit dem Bus ist besser«, sagte er. » Das geht schneller. Hier Wagen vierzehn, ich melde mich ab.«
Bald darauf war die Sache in Poteenville für Shirley und mich erst mal kein Thema mehr; da hatten wir dann selber genug um die Ohren. Aber falls es dich interessiert: Trooper George Stankowski schaffte es in einen der Busse, die er gesehen hatte, indem er mit einem Stein eine Falttür einschlug. Er startete den Blue Bird mit Platz für vierzig Fahrgäste mit einem Reserveschlüssel, der auf der Sonnenblende des Fahrers klebte, und lud schließlich vierundzwanzig hustende, weinende, rotäugige Kinder und zwei Lehrerinnen ein. Viele der Kinder umklammerten immer noch die unförmigen Pötte, Vasen und Aschenbecher, die sie gerade getöpfert hatten. Drei Kinder waren bewusstlos, eines wegen einer allergischen Reaktion auf die Chlordämpfe. Die anderen beiden waren einfach nur vor Angst und Aufregung in Ohnmacht gefallen. Bei einer der Lehrerinnen, Rosellen Nevers, war die Lage ernster: Sie lag, um Luft ringend und halb bewusstlos, auf der Seite und tastete schwächlich an ihrem geschwollenen Hals herum. Ihre Augen traten hervor wie die Dotter pochierter Eier.
» Das ist meine Mami«, sagte ein kleines Mädchen. Tränen quollen aus ihren großen braunen Augen, aber ihre Tonvase ließ sie nicht los und hielt sie auch so gerade, dass die Ringelblume, die sie hineingesteckt hatte, nicht herausfiel. » Sie hat Assma.«
Da kniete George schon neben der Frau und hatte ihren Kopf über seinem Unterarm nach hinten geneigt, sodass ihre Atemwege so frei wie möglich waren. Ihr Haar hing auf den Beton. » Nimmt sie irgendwas gegen das Asthma, wenn es so schlimm wird?«
» In ihrer Tasche«, sagte das kleine Mädchen mit der Vase. » Muss meine Mami jetzt sterben?«
» Aber nein«, sagte George. Er zog das Inhalationsgerät aus Mrs. Nevers’ Tasche und jagte ihr eine anständige Dosis in den Hals. Sie schnappte keuchend nach Luft, erzitterte am ganzen Leib und setzte sich dann auf.
George trug sie in den Bus und ging dabei hinter den hustenden und weinenden Kindern her. Er setzte Rosellen auf den Platz neben ihrer Tochter und sich ans Lenkrad. Er warf den Bus an und rumpelte damit über den Fußballplatz und an seinem Streifenwagen vorbei zu der Zufahrtsstraße. Als er dann mit dem Blue Bird auf die County Road 46 einbog, sangen die Kinder schon Row, row, row your boat . Und so wurde Trooper George Stankowski ein richtiger Held, während wir, die wir in der Kaserne geblieben waren, fast um den Verstand gekommen wären.
Und ums Leben.
Damals: Shirley
Georges letzte Meldung an die Leitstelle lautete: Hier Wagen vierzehn, ich melde mich ab. Ich trug das ein und sah dann auf die Uhr, um die Zeit zu notieren. Es war 14.23 Uhr, das weiß ich noch genau. Und ich weiß auch noch, dass Huddie neben mir stand und mir eine Hand auf die Schulter gelegt hatte – wohl um mir ohne viele Worte zu sagen, dass George und die Kinder es schon schaffen würden. 14.23 Uhr: Da brach die Hölle los. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
Mister Dillon fing an zu bellen. Es war nicht das Kläffen aus voller Kehle, das er sich normalerweise für Rehe aufhob, die die Wiese hinter der Kaserne erkundeten, und für Waschbären, die sich schnuppernd an unsere Eingangstreppe vorwagten, sondern ein lautes, rhythmisches Aufjaulen, das ich noch nie gehört hatte. Es hörte sich an, als hätte er sich einen Dorn oder eine Glasscherbe eingetreten.
» Was hat er denn?«, fragte Huddie.
D ging steifbeinig ein paar Schritte von der Fliegentür zurück und sah dabei ein wenig wie ein Rodeopferd beim Kälberfangen aus. Ich glaube, ich ahnte schon, was jetzt kommen würde, und Huddie ahnte es wohl auch, aber wir konnten es beide einfach nicht fassen. Und wir hätten ihn sowieso nicht aufhalten können. So brav er sonst auch war – ich glaube, Mister Dillon hätte uns gebissen, hätten wir es versucht. Er jaulte immer noch rhythmisch auf, und Schaum tropfte ihm aus der Schnauze. Seine Augen traten hervor und sahen aus wie braune Murmeln.
Ich weiß noch, dass mich in diesem Moment ein Lichtstrahl blendete. Ich blinzelte, und der Lichtstrahl strich über die Wand. Das war Wagen 6; Eddie und George brachten ihren Verdächtigen; aber das alles bemerkte ich kaum. Ich sah nur Mister Dillon.
Er lief, ohne zu zögern oder abzubremsen, mit gesenktem Kopf auf die Fliegentür zu, durchbrach die Gaze und stieß dabei die
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