Der Buick: Roman (German Edition)
Schuppen B kann man gar nicht mehr sehen.«
» Brennt er?«
» Glaube ich nicht, aber das ist unmöglich festzustellen. Man kann nicht reingucken. Es ist zu hell. Komm sofort her.«
An Curts Ende knallte der Hörer auf die Gabel. Sandy ging wieder nach draußen. Wenn sie schon atomar vernichtet wurden, wollte er bei seinen Freunden sein.
Zehn Minuten später kam Curt am Steuer seines liebevoll restaurierten Chevrolet Bel-Aire, den sein Sohn zweiundzwanzig Jahre später erben würde, die Personalzufahrt hochgerast. Als er um die Ecke bog, war er immer noch schnell, und einen entsetzlichen Moment lang glaubte Sandy, Curtis würde mit seiner Stoßstange mindestens fünf Mann mitnehmen. Doch Curt stieg blitzschnell in die Eisen (er hatte noch die Reflexe eines jungen Mannes) und brachte den Chevy abrupt zum Stehen.
Er stieg aus, schaltete den Motor, nicht aber die Scheinwerfer ab, stolperte über seine eigenen Füße und wäre fast lang hingeschlagen. Er fing sich gerade noch und lief dann auf den Schuppen zu. Sandy bekam eben noch mit, was er in der Hand hielt: eine Schutzbrille fürs Schweißen. Sandy hatte schon viele aufgeregte Menschen gesehen – natürlich, fast jeder Temposünder, den man anhielt, war auf die eine oder andere Weise aufgeregt –, aber noch nie hatte er jemand gesehen, der derart glühend aufgeregt war wie Curt in diesem Moment. Er hatte Stielaugen, und anscheinend standen ihm die Haare zu Berge … aber das mochte Einbildung sein und daher kommen, dass er so schnell lief.
Tony fasste nach ihm und hielt ihn zurück, als er an ihm vorbeikam, wobei er fast ein zweites Mal gestürzt wäre. Sandy sah, wie Curt die freie Hand zur Faust ballte und hob. Dann ließ er sie wieder sinken. Sandy wusste nicht, wie nahe dran der Polizeischüler gewesen war, seinen Sergeant zu schlagen, und wollte es auch nicht wissen. Es zählte nur, dass er Tony erkannte (und Tonys Befehlsgewalt) und sich ihm beugte.
Tony griff nach der Schweißerbrille.
Curt schüttelte den Kopf.
Tony sagte etwas zu ihm.
Curt erwiderte etwas und schüttelte entschieden den Kopf.
In den immer noch grellen Blitzen sah Sandy Tony Schoondist nun kurz mit sich hadern, ob er Curt schlicht und einfach befehlen solle, ihm die Schutzbrille auszuhändigen. Doch stattdessen drehte sich Tony um und sah zu seinen versammelten Troopern hinüber. In der ganzen Eile und Aufregung hatte ihnen der SC das gegeben, was sich als zwei Befehle auffassen ließ: Sie sollten vom Schuppen weg und zurück in die Kaserne gehen. Die meisten hatten den ersten Befehl befolgt und den zweiten ignoriert. Tony atmete tief durch und sprach dann mit Dicky-Duck, der zuhörte und nickte und dann in die Kaserne ging.
Die anderen sahen zu, wie Curt zum Schuppen B lief, dabei seine Baseballmütze zu Boden warf und sich die Schutzbrille aufsetzte. So sehr Sandy das jüngste Mitglied der Troop D auch mochte und respektierte, konnte er doch an diesem Vorgehen nichts Heldenhaftes entdecken. Heldenhaft wäre es gewesen, auch angesichts großer Furcht weiterzumachen. Doch Curt Wilcox fürchtete sich an diesem Abend nicht im Mindesten. Er war einfach nur außer Rand und Band vor Aufregung und zwanghafter Neugier. Später sagte sich Sandy dann, dass der alte Sarge Curtis an diesem Abend gehen ließ, weil er keine Möglichkeit sah, ihn zurückzuhalten.
Curt blieb gut drei Meter vor dem Tor stehen, und als aus dem Schuppen ein besonders greller Blitz drang, hob er, trotz der Schutzbrille, die Hände vor die Augen. Sandy sah, wie ihm das Licht in violettweißen Streifen zwischen den Fingern hindurchschien. Im gleichen Moment legte sich Curts Schatten wie die Gestalt eines Riesen auf den Nebel. Dann erlosch das Licht, und durch verschwommene Nachbilder hindurch sah Sandy Curt weiter vorwärtsgehen. Er erreichte das Tor und schaute in den Schuppen. So stand er da, bis der nächste Blitz kam. Da schreckte er zurück, war aber gleich wieder am Fenster.
Währenddessen kam Dicky-Duck Eliot von seinem Auftrag zurück. Als Dicky-Duck an ihm vorbeilief, sah Sandy, was er in der Hand hielt. Der Sarge hatte darauf bestanden, dass alle Streifenwagen mit einer Polaroidkamera ausgerüstet waren, und Dicky-Duck war losgelaufen, um so eine Kamera zu holen. Er reichte sie Tony und wich unwillkürlich zurück, als aus dem Schuppen eine weitere lautlose Lichtsalve drang.
Tony nahm die Kamera und lief zu Curtis, der immer noch in den Schuppen spähte und bei jedem Blitz (und jeder Folge von Blitzen)
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