Der Buick: Roman (German Edition)
duldend: » Erlaubnis verwehrt.«
Als der Zeitcode unten im Bild 15:08:41 anzeigt, steigt von der Windschutzscheibe des Buicks ein Schimmern auf, das einem violetten Sonnenaufgang ähnelt. Der Zuschauer könnte dieses Phänomen zunächst noch als technische Panne, optische Täuschung oder irgendeine Art von Reflektion abtun.
Andy Colucci: » Was ist das?«
Unbekannte Stimme: » Ein Spannungsstoß oder …«
Curtis Wilcox: » Wer eine Schutzbrille dabeihat, setzt sie jetzt besser auf. Wer keine dabeihat: Das ist riskant hier. Ich würde ganz schnell hier abhauen. Wir haben …«
Jackie O’Hara (vermutlich): » Wer hat …«
Phil Candleton (vermutlich): » O Gott!«
Huddie Royer: » Ich glaube, wir sollten …«
Sergeant Commanding Schoondist, so gelassen wie ein Führer bei einer Naturwanderung: » Setzt die Schutzbrillen auf, Jungs. Zack, zack.«
Um 15:09:24 sprang das violette Leuchten auf sämtliche Fenster des Buicks über und verwandelte sie in strahlende lilafarbene Spiegel. Hält man das Band an dieser Stelle an und lässt es dann Bild für Bild weiterlaufen, so kann man auf dem zuvor durchsichtigen Fensterglas tatsächlich Spiegelungen entdecken: die an der Wand hängenden Werkzeuge, die orangefarbene Pflugschar, die an einer anderen Wand lehnt, die von draußen hereinspähenden Männer. Die meisten von ihnen tragen eine Schutzbrille und sehen aus wie Aliens in einem billigen Science-Fiction-Film. Curt kann man daran erkennen, dass die Videokamera seine linke Gesichtshälfte verdeckt. Das Brummen wird immer lauter und lauter, und dann, gut fünf Sekunden, bevor der Buick wieder anfängt, Blitze zu verschießen, verstummt das Geräusch. Der Zuschauer hört ein aufgeregtes Stimmengewirr. Einzelne Stimmen sind nicht zu erkennen, aber anscheinend stellen sie alle Fragen.
Dann verschwindet das Bild zum ersten Mal. Der Buick und der Schuppen sind weg. Man sieht nur noch Weiß.
» Großer Gott, habt ihr das gesehen?«, schreit Huddie Royer.
Draußen hört man sie schreien: Weg hier!, Verdammte Scheiße! und O Gott! Jemand sagt: Guckt nicht hin!, und ein anderer: Es blitzt uns tot! – in dem eigenartig nüchternen Tonfall, den man manchmal auf dem Cockpit-Stimmenrekorder einer verunglückten Maschine hört, wenn ein Pilot, dem klar ist, dass er nur noch zehn oder zwölf Sekunden zu leben hat, unwillkürlich etwas sagt.
Dann kehrt der Buick aus dem Land der Überbelichtung zurück, sieht dabei zunächst wie ein vager Haufen aus und nimmt schließlich wieder seine ursprüngliche Form an. Drei Sekunden später blitzt er erneut. Das grelle Licht schießt in breiten Strahlen aus sämtlichen Fenstern, und das Bild wird wieder weiß. Curt sagt: Wir brauchen einen besseren Filter, und Tony erwidert: Vielleicht beim nächsten Mal.
Das Phänomen hält noch sechsundvierzig Minuten an und ist vollständig auf Video aufgezeichnet. Zunächst verschwindet der Buick noch bei jedem Blitz in grellem Weiß. Als das Licht dann schwächer wird, kann der Zuschauer inmitten der jetzt eher violetten als weißen lautlosen Lichteruptionen vage eine autoähnliche Gestalt erkennen. Ab und zu verwackelt das Bild, und man sieht einen kurzen, unscharfen Schwenk über menschliche Gesichter, wenn Curt, in der Hoffnung auf irgendeine Offenbarung (oder vielleicht auch nur auf bessere Sicht), zu einem anderen Beobachtungspunkt hastet.
Um 15:28:17 kann man einen gezackten Lichtstrahl beobachten, der von dem geschlossenen Kofferraumdeckel des Buicks ausgeht (oder vielleicht auch aus dem Kofferraum). Er schießt an die Decke und scheint von dort, wie das Wasser eines Springbrunnens, seitwärts wegzuspritzen.
Unbekannte Stimme: » Ach, du Scheiße! Hochspannung! Hochspannung!«
Tony: » Quatsch. Da ist keine Hitze und kein Feuer.« Dann, vermutlich zu Curt: » Film weiter.«
Curt: » Worauf du dich verlassen kannst.«
Es folgen noch einige weitere Blitze. Manche schießen aus den Fenstern des Buicks hervor, andere aus dem Dach oder dem Kofferraum. Einer schießt unter dem Wagen hervor und ist direkt auf das Schuppentor gerichtet. Bei diesem gibt es erschreckte Schreie, als die Männer davor zurückweichen, aber die Kamera wackelt nicht. Curt war viel zu aufgeregt, um Angst zu haben.
Um 15:55:03 folgt noch ein letztes schwaches Leuchten; es geht von der Rückbank hinter dem Fahrersitz aus; und dann ist es vorbei. Man hört Tony Schoondist sagen: » Spar dir doch die Batterie, Curt. Die Show ist anscheinend vorüber.« An diesem Punkt
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