Der Buick: Roman (German Edition)
Welt, und Curt zählte zu denen, die tatsächlich glaubten, gestillte Neugier ließe Katzen von den Toten auferstehen.
Bald kam er statt mit seiner üblichen Jagd- und Angelzeitschrift mit Biologiebüchern in die Kaserne. Am häufigsten sah man unter seinen Arm geklemmt oder auf dem Klospülkasten liegen: Twenty Elementary Dissections von Dr. John H. Maturin, Harvard University Press 1968. Und als Buck Flanders und seine Frau eines Abends bei Curt zum Essen eingeladen waren, beklagte sich Michelle Wilcox über das » widerliche neue Hobby« ihres Gatten. Neuerdings ließe er sich von einem Versandhaus tote Tiere schicken, erzählte sie, und in der Ecke im Keller, in der er noch ein Jahr zuvor eine Dunkelkammer hatte einrichten wollen, stinke es jetzt nach Chemikalien wie in einer Leichenhalle.
Curt fing mit Mäusen und Meerschweinchen an, ging dann zu Vögeln über und arbeitete sich schließlich bis zu einer Ohreule empor. Manchmal brachte er seine Präparate auch zur Arbeit mit. Eines Tages sagte Matt Babicki zu Orville Garrett und Steve Devoe: » Ihr habt im Leben echt noch nichts gesehen, wenn ihr noch nicht in den Keller gegangen seid, um eine Schachtel Kugelschreiber zu holen, und dann steht da auf dem Fotokopierer ein Glas mit Formaldehyd und einem Eulenauge drin. Mann, da wird man wach.«
Als die Eule gemeistert war, wandte sich Curtis den Fledermäusen zu. Er präparierte acht oder neun Exemplare unterschiedlicher Arten. Einige fing er bei sich hinter dem Haus, und die Übrigen bekam er von einem Versandhandel in Pittsburgh. Sandy vergaß nie den Tag, an dem ihm Curtis eine südamerikanische Vampirfledermaus zeigte, die er an ein Brett geheftet hatte. Das Vieh hatte einen haarigen, bräunlichen Bauch und samtschwarze, membranartige Flügel. Die winzigen, spitzen Zähne waren zu einem irren Lächeln gebleckt. Die Eingeweide waren fachmännisch tropfenförmig ausgebreitet. Als Sandy den Vampir sah, musste er wieder an das Ding im Schuppen B denken, aber der Anblick dieser Fledermaus war leichter zu ertragen. Sandy fand sie vollkommen normal, verglichen mit dem grünlichen Monster, das er dort drinnen mit der Schaufel vom Boden aufgehoben hatte.
Jedenfalls glaubte Sandy, dass Curts Biolehrer – der ihm damals eine Drei gegeben hatte – gestaunt hätte, wie schnell sein ehemaliger Schüler nun lernte.
Doch wahre Besessenheit kann natürlich aus jedem Dummkopf einen Professor machen.
Während Curt Wilcox bei Dr. Maturin die Kunst des Sezierens studierte, wurde der Buick 8 zum Wohnsitz von Jimmy und Roslyn. Das war Tonys Idee. Sie kam ihm eines Tages in einem Einkaufszentrum, als seine Frau gerade bei Country Casuals Kleidung anprobierte. Im Schaufenster eines Tierladens stach ihm ein extravagantes Schild ins Auge: KOMMEN SIE HEREIN UND VERFALLEN SIE DER SPRINGMAUSMANIE !
Tony verfiel der Springmausmanie nicht sofort – seine Frau hätte tausend Fragen gestellt –, sondern schickte vielmehr George Stankowski gleich am nächsten Tag mit Geld aus dem Eventualfonds und dem Befehl hin, ein Wüstenspringmauspärchen und ein passendes Plastikgehege zu kaufen.
» Soll ich auch Futter für sie kaufen?«, fragte George.
» Nein«, antwortete Tony. » Auf keinen Fall. Wir kaufen ein Springmauspärchen und lassen es dann im Schuppen verhungern.«
» Echt? Das finde ich aber irgendwie gemein.«
Tony seufzte. » Ja, kauf Futter für sie, George. Bitte, bitte, bring Futter mit.«
An das Gehege stellte Tony einzig die Anforderung, dass es bequem auf den Vordersitz des Buicks passen musste. George kaufte ein hübsches, zwar kein Spitzenmodell, aber doch fast. Es war aus gelbem, durchsichtigem Plastik und bestand aus einem langen Gang und kastenförmigen Zimmern an beiden Enden. Das eine war das Esszimmer der Springmäuse und das andere ihr Fitnessstudio. Im Esszimmer gab es einen Fressnapf und seitlich an der Wand ein Wasserfläschchen. Im Fitnessstudio war ein Laufrad angebracht.
» Die wohnen da besser als manche Menschen«, sagte Orvie Garrett.
Phil, der eben zusah, wie Roslyn in den Fressnapf kackte, meinte: » Besser als du vielleicht.«
Dicky-Duck Eliot, der vielleicht nicht der Allerschnellste war, wollte wissen, warum wir denn jetzt Wüstenspringmäuse in dem Buick hielten. War das nicht irgendwie gefährlich?
» Tja, das werden wir ja sehen«, meinte Tony in einem eigenartig sanftmütigen Ton. » Einfach mal abwarten.«
Bald nachdem die Troop D Jimmy und Roslyn erworben hatte, überschritt Tony
Weitere Kostenlose Bücher