Der Bund der Drachenlanze - 07 Michael Williams
seinem Brustharnisch erkennen. Hellrote Blume auf weißer Wolke vor blauem
Grund.Bonifaz war nicht weit hinter ihm. Daß Sturm aus
dem Schloß entkommen war, hatte ihn überrascht. Er hatte
gerade auf dem südwestlichen Erkertürmchen gedöst, wo
seine blassen Augen am blassen Mond gehangen hatten. Er
fluchte leise, um sich dann für diesen Fluch zu verfluchen,
als der Junge sein Pferd bestieg und durch das Nordtor galoppierte, bevor er von der Mauer steigen und auch nur
zum Stall gelangen konnte.
So findig hatte er den Jungen nicht eingeschätzt, der tatsächlich etwas von der Genialität der Feuerklinges in sich
haben mußte. Wie sonst hätte er aus einem so fest verrammelten Schloß entkommen können?
Fürst Bonifaz Kronenhüter lächelte in sich hinein, während er sein Pferd aus dem Stall führte. Mit der selbstverständlichen Art eines Hauptmanns der Kavallerie schwang
er sich geschmeidig in den Sattel und setzte Sturm und
Luin nach. Der Hengst unter ihm fegte dunkel über die
mondbeschienene Ebene.
Bald zügelte er ihn allerdings zum leichten Galopp. Es
war nur eine Frage der Zeit. Schließlich hatte er vorgesorgt.
Von hier bis zum Südlichen Finsterwald gab es noch einige
Fallen. Und die nächste Überraschung war nicht mehr
weit.In gestrecktem Galopp jagten Sturm und Luin nach
Nordosten – oder das, was Sturm für Nordosten hielt – ü
ber die Solamnische Ebene. Mit jeder Veränderung des Horizonts sanken die Hoffnungen des Jungen. Wer hätte gedacht, daß Solamnia so weit war, so unvorstellbar groß?
Sturm schloß die Augen, während der Wind ihm um die
Ohren pfiff. Also würde er nie zum Orden gehören.
Nachdem seine Panik schließlich abgeklungen war, zü
gelte er Luin zu leichtem Galopp. Da brachte die Luft ihnen
von links den schwachen Schlammgeruch des Flusses.
Die Erforschung des Schlosses hatte seinen Orientierungssinn durcheinandergebracht. Er war nach Süden geritten, weg von der Furt und der Straße nach Lemisch. Das
plötzliche Grün der solamnischen Steppe hatte Vertumnus’
grünen Pfad verschluckt, und der Junge war eine Stunde
lang über eine Ebene ohne Anhaltspunkte galoppiert.
Sturm brachte Luin zum Stehen, stellte sich in den Steigbügeln auf und überblickte verzweifelt die vor ihm liegende Landschaft, die abgesehen von ein paar Ewigkeitsbäumen hier und einem einsamen Vallenholzbaum dort in jeder Richtung gleich aussah.
Er dachte daran, wie sein Versagen und die Verzögerung
– vielleicht sogar sein Tod – die Fürsten Gunthar und Bonifaz enttäuschen würde. Er dachte an Derek Kronenhüters
Hohn und seine Schadenfreude. Die anderen Pagen und
Knappen würden sich das Maul zerreißen wie ein Rabenschwarm…
Wo sind die Vögel? Das war es! Wo sind die Vögel?
Sturm fuhr hoch und sah sich um, und seine Verwunderung wurde zu einer vorsichtig wachsenden Hoffnung.
Denn in diesem Frühling in Solamnia sangen trotz der
Wärme und der Gräser keine Vögel. Die Ebene war so still
wie im Winter.
Noch einmal stellte sich Sturm in die Steigbügel. Am
Rand seines Blickfelds, im Osten, wo der Geruch des Flusses herkam, sah er wieder Winter und etwas erstaunlich
Vielversprechendes. Denn das Grün der Ebene wurde
plötzlich braun, und der Nebel über dem Land war Winternebel, den das Sonnenlicht nicht auflösen konnte.
»Also… also ist immer noch Winter !« rief Sturm aus, der
sich wieder in den Sattel setzte. Plötzlich erklang vor ihm
frisch und lockend die Musik, die ihn über die Winterebene
zog. Voller Überschwang spornte er sein Pferd an und trieb
es in vollem Galopp nach Osten.
Er lächelte in sich hinein. Jetzt ging das Abenteuer erst
los.
Luin schaukelte unter ihm, als sie auf ihrem Galopp
durch bestellte Felder und Viehweiden über einen alten
Zaun setzte. Die ganze Zeit spielte vor ihnen die Musik,
lockte sie weiter, und hinter ihnen verwandelte sich das
frühlingshafte Grün plötzlich wieder in das braune, eisverkrustete Land des Winters.
Sturm lachte. Von jetzt an war es leicht. Das war sein Gedanke, als er merkte, wie sein Pferd einknickte und strauchelte.Sie hatten noch Glück, daß sie sich nicht verletzten
oder gleich zu Tode stürzten. Sturm hatte blitzschnell reagiert und die Stute so nachdrücklich gezügelt, daß sie sofort in Schritt fiel und dann stehenblieb. Er saß ab und untersuchte den Schaden an ihrem rechten Hinterhuf.
Das war kein Zufall gewesen. Da er sich mit Pferden
ausgezeichnet auskannte, war ihm sofort klar, daß jemand
einen, vielleicht auch mehrere
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