Der Bund der Drachenlanze - 07 Michael Williams
verängstigte
Junge.
»Sir Robert«, korrigierte der Geist. »Es gab mal Zeiten,
wo wir uns mit aufgeblasenen Titeln zierten. ›Sir‹ war gut
genug für solche wie deinen Urgroßvater und ihresgleichen.«
Sir Robert setzte sich auf eine wacklige Bank, durch die
er beim Reden irgendwie durchrutschte, so daß er mit einem Puff im Staub landete.
»Das waren noch Zeiten, wo eine Suche eine große Sache
war, mein Junge! Wir sind Zauberern nachgejagt! Vergessenen Welten und Würmern, die den ganzen Kontinent
umschlangen!«
Der Geist schloß die Augen, als ob er von jenen alten Tagen träumte.
»Und worum«, fragte Sir Robert übergangslos, als seine
blassen Augen aufflogen, »geht es bei deiner Suche, kleiner
Blitzklinge?«
Als wäre er bezaubert oder aus Hunger schon jenseits
von Lüge oder Verstellung, erzählte Sturm dem Geist die
ganze Geschichte. Von der Nacht mit dem Bankett über
seine vernebelte Wanderung bis zu seiner Gefangensetzung hier in Kastell di Caela. Beim Erzählen fiel ihm auf,
wie lang und gefahrvoll ihm alles unterwegs vorgekommen war, und wie platt und einfach und geradezu dämlich
es sich nun anhörte.
Am Anfang der Geschichte hörte Sir Robert noch gebannt zu, aber seine Begeisterung hielt nicht lange an. Bald
zeigte seine Miene nur noch höfliche Aufmerksamkeit,
dann wurde sie gleichgültiger, bis der Alte schließlich fast
einnickte.
»Ist das alles?« fragte er. »Du brichst auf, um einen Gegner zu treffen, der eindeutig stärker und geschickter ist,
und du hast es geschafft, dich in meinem Schloß einschließen zu lassen, bevor du auch nur den halben Weg hinter
dir hast?«
Sturm wurde rot und nickte, als Sir Robert ein dünnes,
tiefes Glucksen von sich gab.
»Und?« fragte der Geist, der keine zwanzig Fuß vor dem
Jungen herumschwebte.
»Sir?«
»Was weißt du über Geister, Junge? Um welche Rache
habe ich gebeten?«
»Keine, Sir.«
»Und welche unerledigte Sache solltest du für mich zu
Ende bringen?«
»Wirklich keine.«
»Sehr richtig. Wie ich sehe, hast du selbst schon genug
unerledigte Angelegenheiten für ein ganzes Leben. Was für
Schätze habe ich?«
»Sir?«
»Was für Schätze, verdammt! Du hast das Gebäude von
den Zinnen bis zum Keller durchsucht. Was verstecke ich?«
»Nichts, Sir.« Der Junge war es leid, ausgefragt zu werden. Er war müde und hungrig.
»Was bleibt also übrig?« bohrte Sir Robert.
»Sir?«
»Was machen wir Geister noch?«
Sturm stand schweigend da. Sir Robert näherte sich ihm
in Grün, Gelb und Rot.
»Wir beantworten Fragen. Ich bin zurückgekehrt, um eine Frage zu beantworten. Nein, ich werde zwei Fragen beantworten.«
Mit ausgebreiteten Armen schwebte der Geist gut zwei
Ellen vor Sturms Stuhl. Obwohl ihm ganz flau im Magen
war vor Hunger, sah Sturm dem Geist direkt in die Augen.
»Ich dachte immer«, meinte der junge Ritter zaghaft,
»daß bei allem, was mit Magie zu tun hat, normalerweise drei Fragen beantwortet werden.«
»Handel nicht mit mir, Knabe!« fauchte Sir Robert. »Entweder zwei Fragen oder gar keine. Hier hält man nichts
von dummen Traditionen. Zwei Fragen.«
Tausend Fragen gingen Sturm durch den Kopf, als er den
Geist anstarrte – zur Geschichte, zur Geisterwelt, zur Religion…
Aber welche Fragen?
»Wieso kommst ausgerechnet du zu mir?«
»Ist das deine Frage?«
»Ja.« Sturm sah den Geist vorsichtig an. Sir Robert
schwebte gut drei Fuß über dem Boden, als würde er in
Wasser treiben.
»Tja, wenn ich das wüßte«, erwiderte Robert. »Nächste
Frage.«
»War das deine Antwort?« rief Sturm aus.
»Ist das deine zweite Frage?« wollte Sir Robert wissen.
»Was? Ach… nein…«, stammelte Sturm. Er wurde still,
und das grüne Licht in der großen Halle wurde allmählich
intensiver. Jetzt verlängerten sich die Schatten von Bank,
Thron und Trümmern, bis es so aussah, als wären alle Möbel über menschliche Proportionen hinausgewachsen.
»Ich… ich weiß nicht recht, was ich fragen soll«, sagte
Sturm schließlich. Sein Kopf war voller alter Märchen über
gefangene Zauberer, die Wünsche erfüllen sollten – wie sie
ihre Herren dazu verleiteten, um Frühstückswürstchen zu
bitten anstatt um Unsterblichkeit oder unendliche Weisheit.
Was für ein Geist der da vor ihm auch war, er würde sich
nicht von ihm reinlegen lassen.
»Ich finde, die Frage liegt auf der Hand«, sagte Sir Robert
mit erstauntem Lächeln.
Sturm sah den Geist mit großen Augen an und setzte sich
wieder auf seinen Stuhl. Jetzt stand Sir
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