Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams
nur zahm an
den Flanken seiner Stute. Hinter dem gleichmäßigen Fließen des Flusses glaubte Sturm wieder die Musik zu hören.
Er erinnerte sich an den Klang von Maras Flöte, und etwas
tief in seiner Erinnerung und seiner Vorstellung verriet
ihm, daß sie in Sicherheit war.
Von seinem Beobachtungsposten auf dem Hügel über
dem Westufer des Vingaard sah Tivok, wie der Junge sein
Pferd in das flache Wasser lenkte. Der Drakonier zog seinen Mantel gegen den eisigen Ostwind fester um sich und
winkte seinen Kumpanen zu, die flußaufwärts lagerten.
Das war die zweite Schwadron. Die vier – kleine Baazdrakonier, die an dem selbstgebauten Damm postiert waren –
würden ihn sehen. Sie würden die Steine und Äste auseinanderziehen, bis das plötzlich befreite Wasser schnell und
machtvoll nach Süden rauschen und am Flußufer anschwellen würde. Wenn sie den richtigen Zeitpunkt trafen,
würde die Flutwelle die Furt erreichen, wenn der Reiter
mitten im Fluß war.
Tivok lachte. Wir wollen doch sehen, wie dieses Bürschchen mit einem Pferd umgeht.
Er war überzeugt, daß es diesmal der Richtige war. Er
hatte den Ruf der Solamnier in der kalten Luft gehört und
das erhobene Schwert wie einen heißen Blitz am fernen
Himmel durch die Luft sausen sehen.
Er würde Nashif bestrafen, weil er ihn durchgelassen
hatte.
Tivok gab das Signal sicherheitshalber noch einmal und
leckte dann sein Schwert an, um die Klinge zu vergiften.Jetzt fiel der Schnee in dichten Flocken, und stromaufwärts war das Ufer von einem dünnen Eisfilm überzogen.
Hawod, Hauptmann Tivoks Stellvertreter, setzte sich unbequem auf einem Haufen Holz und Steine um. Es war
furchtbar ermüdend, auf das Zeichen ihres Anführers von
dem kleinen Hügel zu warten. Gab es nicht ein altes
Sprichwort über den Topf, den man ansieht?
Er hatte Kopfschmerzen und war schläfrig. Drakonier
waren nicht für diese Jahreszeit und so ein Wetter geschaffen, denn ihr kaltes Blut lullte sie ein, wenn es kälter wurde. Eine von den Verwundeten hatte er bereits geweckt,
indem er sie mit seinem Schwert angestoßen hatte. Er hatte
ihr eine harte Strafe angedroht, falls sie wieder einschlafen
sollte.
Unter ihrer schwarzen Kapuze hatte sie ihn böse angestarrt. Er sehnte sich nach dem Sommer.
Er schüttelte den Kopf, um den Schmerz zu vertreiben.
Der Hügel war immer schlechter zu erkennen, als der
Schnee dichter fiel, und zweimal hatte er zu seinem Entsetzen kurz gar nichts mehr gesehen. Da hatte er überlegt, ob
er einfach handeln und den Damm öffnen sollte, damit das
Wasser losrauschte, aus der verzweifelten Hoffnung heraus, daß er Tivoks Signal auf dem Hügel übersehen haben
könnte.
Das war dumm, er wußte es. Also hatte er es nicht getan.
Schlecht gelaunt blieb er sitzen, bis sich aus dem blendenden Weiß wieder die Umrisse des Hügels herausschälten
und seine Panik einer nagenden Unruhe wich.
Wenn das der solamnische Frühling war, überlegte Hawod mit trägen, schwerfälligen Gedanken, dann würde er
nur höchst ungern…
Der Gedanke blieb unvollendet in der eisigen Luft hängen. Der Drakonier döste ein, und mit dem Schnee wurde
auch sein Schlaf tiefer, als er seinen drei Gefährten in den
traumlosen Winterschlaf der Reptilien folgte.Tivok
schäumte, als der Reiter das andere Ufer erreichte.
Zischend stürmte er den Hügel hinunter, rutschte auf
knöcheltiefem, frischem Schnee hinab, bis sich sein Umhang aufblähte wie das Segel eines mürben Eisbrechers.
Sie hatten alle versagt – Nashif mit seinem Hinterhalt,
Hawod und die anderen flußaufwärts am Damm. Er hatte
so etwas befürchtet, aber noch mehr befürchtete er den Verlust des solamnischen Golds.
Er rutschte aus, fiel hin und stand leise fluchend wieder
auf. Das Schwert glitt ihm aus der Hand und rutschte
durch den weißen Schnee, wobei es eine dicke grüne Spur
hinter sich zog. Am Fuß des Hügels blieb es stecken. Die
Klinge mit den Sägezähnen glitzerte, nachdem der schmelzende Schnee sie reingewaschen hatte.
Überhaupt, dachte Tivok, als er die Waffe aufhob, hatte
er eigene Pläne auf dieser Seite des Flusses. In Gedanken
bei dem bevorstehenden Kampf, steckte er die Klinge geistesabwesend weg und sprang ans Westufer der Furt.Luin
erschauerte, als der Wind ihre nassen Flanken traf. Sturm
stieg schnell ab und zog eine Decke vom Sattel, um die Stute so gut wie möglich abzutrocknen.
Die Überquerung der Furt war beinahe verdächtig einfach gewesen. Mitten im Fluß hatte die Musik
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