Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath
vielleicht – «
»Mh m mm?«
Kitiara brachte ihren Satz nicht zu Ende. Statt dessen
kroch sie wieder ins Bett, nachdem Tanis Platz gemacht
hatte. »Bei den Schluchten des Abgrunds, so schlecht ist es
mir noch nie gegangen. Vielleicht habe ich mir etwas geholt.« Sie brach stöhnend mit dem Gesicht nach unten auf
der Matratze zusammen.
»Und vielleicht wirst du langsam zu alt, um so zu saufen.«
»Das ist ein netter Rat von einem, der über neunzig ist.«
Sie gri ff nach hinten und zog, ohne sich anders hinzulegen,
die Daunendecke über ihren Kopf. Die Decke dämpfte ihre
Stimme. »Ich habe die Zeit gebraucht, um Caven alle möglichen Lügen aufzutischen, die ihn von unserer Fährte ablenken. Er glaubt, wir schlafen im ›Maskierten Drachen‹,
der Einfaltspinsel.«
»Mmh m m.« Tanis tappte zu einem Stuhl an der Tür und
zog seine Hosen an.
Kitiara drehte sich mühsam um.
Tanis schlüpfte in sein ledernes Fransenhemd.
»Das heiß t …?« Sie versuchte sich aufzusetzen, fiel jedoch
mit einem leisen Fluch wieder in die Kissen.
Tanis tastete unter dem Stuhl nach seinen Mokassins.
»Das heißt, ich glaube, daß der Ausgang von jenem Farospiel nicht ganz dem Glück überlassen war. Das heißt,
ich glaube, daß Hauptmann Kitiara Uth Matar unter gewissen Umständen durchaus dazu fähig ist, die Ersparnisse
eines Mannes ›an sich zu nehmen‹ und zu verschwinden.«
Kitiara wechselte das Thema. »Wo gehst du hin, Halbelf?«
»Zum Küchenjungen, damit er dir einen Tee und etwas
zu essen bringt. Und dann werde ich in Haven Spazierengehen und überlegen, wie wir zehn Stahlmünzen verdienen können, um Caven Mackid auszuzahlen.«
Auf Kitiaras Gesicht zeichnete sich Entsetzen ab. »Ihn
auszahlen?«
»Mit meinen über neunzig Jahren weiß ich immerhin«,
sagte er gelassen, »daß es keine gute Idee ist, Schulden
nicht zurückzuzahlen. Sie verfolgen einen ewig.«
»Du verdammter Moralist.« Immerhin lächelte Kitiara,
obwohl sie die Arme vor der nackten Brust verschränkt
hatte.
»Außerdem«, fuhr er fort, »wenn wir Mackid bezahlen,
dann sind wir ihn los und können nach Solace weiterreiten.«
Dann ging er hinaus.Auf seinem Weg nach draußen
machte Tanis in der Küche halt, wo er den Küchenjungen
dösend vorfand. Der Junge sprang auf, als der Halbelf den
Raum betrat. »Was wünscht der Herr?« Sein sandfarbenes
Haar war ungekämmt, die braunen Augen voller Schlaf.
»Hast du schon Tee gekocht?«
Der Junge nickte und zeigte auf einen dampfenden Topf
auf dem Kaminsims. Neben dem Topf lehnte eine Scheibe
Brot. »Einmal. Für die Herrin – die Frau vom Wirt. Kriegt
bald ein Kind und kommt ohne Tee und trockenen Toast
nich’ hoch. Und«, fügte er hinzu, als würde ihm ein alter
Kummer wieder hochkommen, »es muß Winterbeerentee
mit Hagebutte und Pfefferminz sein. Sagt, eine Kräuterfrau
hat ihr erzählt, daß das gut fürs Baby ist, aber ich glaube,
sie mag es einfach, wenn sich alle wegen ihr so viel Arbeit
machen. Aber, um die Wahrheit zu sagen, wenn sie das
trinkt, muß sie sich nicht mehr übergeben, also ist es vielleich t …«
Tanis, dem Bilder von Wod im Kopf herumtanzten, unterbrach den Monolog. »Bring was davon in mein Zimmer,
ja? Und auch Toast.«
Der Junge schickte sich an, heißes Wasser aus einem Kessel zu schöpfen, der auf einem Eisengestell über dem Feuer
stand. Er füllte es in einen zweiten Topf neben dem, der
schon auf dem Kaminsims dampfte. »Habt ’ne Dame dabei,
was? Eine Tasse oder zwei?«
»Nur eine. Ich gehe raus.« Tanis gab dem Jungen eine
von den wenigen Münzen, die ihm geblieben waren. »Oh,
und noch was.«
»Hm?«
»Sorg dafür, daß die Dame erfährt, daß der Tee besonders gut für Schwangere ist, aber sag’s ihr erst, wenn sie
einen ordentlichen Schluck getrunken hat.«
»Ah! Die Dame kriegt also ein Kind?« merkte der Junge
auf.
»Nein«, entgegnete Tanis.
Der Junge grinste. »Also ein Scherz. Verstehe.«
Tanis lächelte den Jungen an und nickte. »Gib nur acht,
daß du an der Tür stehst, wenn du es ihr sagst.«
»Ah!« wiederholte der Junge. »Temperamentvoll?«
Der Halbelf lachte.
Der Junge zwinkerte. »Ich passe auf.«Wod beobachtete,
wie Tanis in der Tür der »Sieben Zentauren« stehenblieb,
die weiche Morgenluft tief in seine Lungen saugte und
dann in die Stadt ging. Wod hatte die Vordertür des Gasthauses bewacht, seit Caven Kitiara bis hierher verfolgt hatte, nachdem sie vorgeblich den »Maskierten Drachen« betreten hatte. Der Söldner
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