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Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath

Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath

Titel: Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stahl und Stein
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zurückgebunden. Kai-lid liebte es, von frischer Luft umgeben zu sein. Selbst in den wenigen Fällen, wo Hagel oder
Schnee das Gebiet heimsuchten, ließ sie die Wildnis ungehindert ein.
    Jetzt jedoch nahm Kai-lid ein ungewöhnliches Geräusch
wahr. Sie sah sich im Dunkeln um. Nichts. Sie machte ein
paar Schritte, dann hörte sie es wieder – ein Klicken wie
vom Öffnen und Schließen eines Kiefers. Eine Riesenameise? Es war schwer zu sagen, was an den Geschichten vom
Düsterwald dran war. Zum Beispiel hieß es, daß Geistertruppen Eindringlinge fernhielten. Kai-lid jedoch kam und
ging unbehelligt.
    Mit einer Hand an ihren Zauberutensilien erweiterte sie
ihren Lichtspruch und sah sich genauer um. Kai-lid sah
nichts Auffälliges. Eine Platane, wie sie hier häufig vorkam,
ragte fünfmal so hoch wie das höchste Haus von Haven in
die Dunkelheit und warf im grünen Zauberlicht einen bizarren Schatten. Dort, wo die Wurzeln des Riesenbaums
begannen, verriet eine Ö ffn ung, daß die Platane hohl war,
und Kai-lid wußte, hier war eine Waschbärfamilie eingezogen. Auf der feuchten Erde wuchs dichtes Farnkraut, dessen dicke Blätter sich im Wind wiegten, den Kai-lid jetzt
erst bemerkte. Das Land war erfüllt vom Duft der fruchtbaren Erde, der Nässe und der Pflanzen, doch Kai-lid fand
kein Anzeichen einer Gefahr.
    Dann hörte sie ein neues Geräusc h – ein Pochen wie von
einem gewaltigen Herzen, das schnell , aber immer wieder
anders schlug. Und ein Rauschen wie von tiefem Durchatmen. Wer diese Geräusche auch verursachte, er war entspannt, das war deutlich zu erkennen: Einatmen, Ausatmen, Pause… Einatmen, Ausatmen, Pause. Sie roch etwas –
staubig wie Stroh, nicht unangenehm. Kai-lid bemerkte ein
Rascheln, als wenn etwas sich leicht bewegte, etwas sehr
Großes. Dann wieder das Klicken.
    Plötzlich hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf, und jetzt
wußte Kai-lid, wer in den Bäumen lauerte.
Ich bin ein böses, wildes Monster und fresse dich bei lebendigem Leib.
»Laß das, Xanthar«, antwortete Kai-lid erschöpft. »Ich
bin zu müde für Spielchen. Ich muß nachdenken, und zwar
allein.« Das Klicken und Rascheln und Rauschen hörte auf;
das Wesen war still. »Und sei bitte nicht beleidigt.«
Die Zauberin ging weiter und folgte einer Wegbiegung,
bis sie vor sich auf einer Lichtung den Eingang ihrer Höhle
sah. Der blaue Vorhang war immer noch zurückgebunden.
Über der Spitze einer anderen, abgestorbenen Platane
kreiste der Schatten eines gewaltigen Vogels, dem man die
Zurückweisung an jeder gesträubten Feder ansah. Die
Zauberin blieb stehen und betrachtete den Vogel liebevoll.
Schließlich ertönte, wie sie es erwartet hatte, wieder die
lautlose Stimme in ihren Gedanken. Zeit für deine Lektion in
Gedankenübertragung, Kai-lid Entenaka. Du kommst spät. Ich
habe mir Sorgen gemacht.
Kai-lid senkte den Kopf und entschuldigte sich: »Ich war
in Haven, Xanthar.«
Die Stimme in ihrem Kopf wurde schärfer. Du weißt, ich
mag es nicht, daß du allein nach Haven gehst. Ich sollte dich begleiten.
»Das haben wir doch schon so oft besprochen, Xanthar«,
sagte Kai-lid ruhig, ging über die Lichtung und blieb unter
der Platane stehen. »Deine Magie wird nachlassen, wenn
du dich zu weit vom Düsterwald entfernst. Außerdem
schlafen Rieseneulen doch tagsüber, hast du das vergessen?« In ihrer Stimme schwang unterdrücktes Lachen mit.
Und du solltest nicht vergessen, daß ich mich ganz schön weit
aus dem Wald wagen kann. Die paar Stunden fehlenden Schlafs
bringen mich nicht um. Nach dem, was du mir erzählt hast, bist
du in keiner Stadt sicher. Du könntest jemandem aus Kernen
begegnen.
»Bin ich auch.«
Auf diese Antwort war die Eule nicht gefaßt. Nach einer
schockierten Pause richtete sie sich zu voller Höhe auf und
schlug mit ihren großen Flügeln von zwanzig Fuß Spannweite. Die tote Platane ächzte und stöhnte in der Nachtluft,
und die Windstöße wehten der Zauberin die Kapuze vom
Kopf, und ihr peitschten die Haare ins Gesicht. Ein Kreischen gellte über die Lichtung, und Kai-lid krümmte sich,
dehnte jedoch den Lichtspruch aus, bis sie die Eule sehen
konnte.
»Xanthar, sie haben mich nicht bemerkt«, sagte sie eilig.
»Ich war vorsichtig.« Trotz ihrer Erschöpfung lächelte Kailid die Rieseneule an.
Xanthar legte schließlich seine Flügel an. Er schob seinen
goldenen Schnabel, der so lang war wie Kai-lids Arm, in
den hellen Flaum an seinem Hals. Sein Gesicht war braun,
grau und

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