Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath
untauglich.«
»So notwendig.«
Mit einem neuerlichen vorwurfsvollen Blick kroch
Schwätzer Sonnenrad unter dem Karren hervor. Ohne auf
die Menschentrauben zu achten, die sich gebildet hatten,
um zuzusehen, wie das Feuer herunterbrannte, und ohne
einen einzigen Blick auf das glimmende Häufchen Schutt,
das einst sein Laboratorium gewesen war, machte sich der
Gnom auf den Weg zur belebtesten Ecke des Markts. Tanis
folgte ihm. Schwätzer warf sich in Positur. »Hört, hört, ihr
Leute!« schrie der Gnom. Keiner hörte zu.
Tanis tauchte neben Schwätzer auf. »Du brauchst eine
Art Podium«, riet er ihm.
Der Gnom sah sich um. »Ich könnte eins bauen«, fand er.
»Einen automatischen Gnomhebetrans-«
Als Reaktion hob der Halbelf den Gnom hoch und setzte
ihn auf seine rechte Schulter. »Los, Marktschreier, raus mit
deinen Nachrichten.«
»Ach, das ist so… direkt«, murmelte Schwätzer, der sich
in das rötliche Haar des Halbelfen krallte, um das Gleichgewicht zu halten. Dann winkte er mit der anderen Hand
und schrie wieder: »Hört, hört, ihr Leute!« Diesmal blieben
einige Leute stehen. »Ich habe Neuigkeiten…«
Er leierte seine Nachrichten herunter – nur drei Dinge,
wie sich herausstellte, doch eine war für Tanis von Interesse. »Der Vorstand von Havens Bauernverein, der sich zu
einer außerordentlichen Sitzung zusammengefunden hat,
bietet eine Belohnung von fünfzehn Stahlmünzen für die
Erlegung eines Ettins, der südlich von Haven Vieh getötet
hat«, posaunte Schwätzer heraus.
»Was ist ein Ettin?« rief ein Mann hinten in der Menge.
»Ein Ettin ist zwölf bis dreizehn Fuß groß, hat zwei Köpfe und lebt normalerweise in kalten Gebirgsgegenden. Ettins sind Verwandte der Trolle und werden manchmal
auch als zweiköpfige Trolle bezeichnet.«
Die Menge murmelte. Der Frager schüttelte den Kopf
und verschwand, gefolgt von einigen anderen. Schwätzer
fuhr fort. »Ettins fressen nur Fleisch. Der hier hat volle
sechs Kühe getötet und gefressen, dazu diverse Hunde,
einen Haufen Hühner und ein Dutzend Schafe. Gestern
nacht hat er einen Schäfer südlich von Haven angegriffen.
Der Mann wollte das Monster davon abhalten, seine Herde
zu plündern, und hat das mit dem Leben bezahlt.«
Die verbliebenen Zuhörer wurden bleich und gingen eilig davon. Schwätzer redete noch weiter, kam dann aber
zum Schweigen. Seine Zuhörer waren verschwunden. »Lag
das an meiner Darbietung?« fragte er den Halbelfen.
»Nein, mein Freund. Das war der Ettin«, sagte Tanis
barmherzig.
Tanis verabschiedete sich von dem verwirrten Gnom und
stürmte Minuten später die Stufen in die »Sieben Zentauren« hoch. Dabei bemerkte er nicht, wie sich auf einer Bank
auf der anderen Straßenseite plötzlich Wod aufsetzte.
»Was hältst du davon, gegen Bezahlung ein Monster zu
jagen?« fragte Tanis ohne Gruß, als er sein Zimmer betrat.
Kitiara war angezogen, aber blaß. Der leere Teekrug
stand mit ein paar Toastkrümeln auf einem Tablett an der
Tür. »Schwangerschaftstee, Halbelf, ich muß schon sagen«,
knurrte Kitiara. Dann erfaßte sie, was er gesagt hatte. »Ein
Monster erlegen? Für wieviel?«
»Fünfzehn Stahlmünzen.«
Sie pfiff.
»Schon mal von einem Ettin gehört?« fragte er.
Kitiara erstarrte. »Ein zweiköpfiger Troll?« Zwei Falten
bildeten sich zwischen ihren Augen; sie schien tief in sich
hineinzusehen. »Nein, das ist unmöglich«, flüsterte sie fast
lautlos. Ohne Tanis’ fragenden Gesichtsausdruck zu beachten, meinte sie dann laut: »Mein letzter Auftraggeber hatte
einen Ettinsklaven. Ich weiß etwas über sie. Sie sind ge fä hrlich, aber dumm, und, wie die meisten dummen Wesen,
ausgesprochen loyal.«
»Hast du Lust, einen zu jagen?«
Kitiara reagierte nicht mit der Begeisterung, die Tanis
erwartet hatte, aber das schob der Halbelf auf ihren vermutlichen Kater. »Wir könnten unsere Schulden bei Mackid begleichen, ihn fortschicken und hätten noch fünf
Stahlmünzen übrig«, erklärte er.
Kitiara starrte ihn an. »Warum tust du das, Tanis?« fragte
sie leise. »Du schuldest Caven Mackid überhaupt nichts.
Ein Ettin ist ein gefährlicher Gegner.«
Tanis begann seine wenigen Sachen in seinen Packsack
zu legen. Er schwieg eine Weile, und als er dann sprach,
hatte er sein Gesicht abgewendet. »Du hast mir bei dem
Kampf mit dem Irrlicht das Leben gerettet«, sagte er.
Kitiaras Ausdruck verriet allergrößten Argwohn.
»Bei der Gelegenheit haben wir gut zusammengearbeitet«, fuhr der Halbelf
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