Der Bund der Drachenlanze - 11 Tina Daniell
verschwanden wieder i m Dickicht des
Waldes.
Das Land stieg langsam an. Der Wald lag inmitten von
Bergen, an denen das Gelände abrupt in eine Felslandschaft
überging. Hier und dort fielen blasse Sonnenstrahlen in das
grünblaue Licht, das im Wald vorherrschte.
Langsam suchten sich die drei Freunde einen Pfad durch
das Gestrüpp. Schwungvoll hackten Flint und Tanis auf
das üppige Grün ein, um sich und Raistlin einen Weg zu
bahnen. Tanis murrte, weil er sein Schwert zu so etwas
hergeben mußte, während Flint, der den größten Teil des
Morgens der Nörgler gewesen war, eine gewisse Freude
daran hatte, seine gut geschär ft e Axt zu schwingen. Hinter
ihnen wartete Raistlin wortlos jedesmal, wenn sie anhielten, und lehnte sich dabei auf den festen Wanderstab aus
Zedernholz, den Flint ihm vor einigen Monaten geschnitzt
hatte. Sein bleiches Gesicht verriet seine Spannung, doch er
ertrug die Verzögerungen geduldiger als seine zwei Gefährten.
Die Beschreibung des Zaubermeisters war sehr genau
gewesen. Die Höhle des Orakels war zwar gut verborgen
und ihre genaue Lage nur einer Handvoll privilegierter
Zauberkundiger bekannt, doch sie lag nicht viel mehr als
eine halbe Tagesreise von Solace entfernt. Morat hatte
Raistlin eingeschärft, auf der Hut zu sein. Das Orakel hatte
unvorstellbare Kräfte und war ungebetenen Gästen gegenüber nicht sehr freundlich gesonnen.
Hinter Solace gabelte sich die Straße, die nach Südosten
führte, in zwei kleinere, steinige Straßen, von denen die
eine tiefer in den hügeligen Süden ging, während die andere nach Osten abbog. Morats Anweisungen entsprechend
nahmen Tanis, Flint und Raistlin die östliche Straße. Nach
einigen Meilen fächerte sich der Weg in zahlreiche, ausgetretene Pfade auf, so daß der Reisende die Qual der Wahl
hatte. Ohne den Rat des Zaubermeisters hätten sie nie den
schm ä lsten davon gewählt, einen matschigen, lehmigen
Pfad nach Nordosten, der ein paar Meilen später offenbar
in einer Sackgasse endete. Ein Dickicht niedriger Gewächse
umgab einen Hain gewaltiger, breitblättriger Bäume mit
tiefhängenden Zweigen und dicken Stämmen.
Eine halbe Stunde lang hackten sie sich durch das wuchernde Unterholz einen Weg frei, bis sie an einer Gruppe
prachtvoller Bäume mit weit ausgebreiteten Ästen vorbeikamen. Auf der anderen Seite der Sperre ging – wie der
Zaubermeister es gesagt hatte – der gerade noch zu erahnende, alte Pfad weiter.
Teils gebückt, teils über Felsen hinweg oder unter umgestürzten Bäumen hindurch arbeiteten sich die drei eine
Stunde lang auf dem gewundenen, schuttübersäten Pfad
vorwärts.
Raistlin schlug ein ordentliches Tempo an. Seine Entschlossenheit, das Orakel zu erreichen, beeindruckte Tanis,
der Kitiara aus seinen Gedanken verdrängt hatte und ganz
mit seiner augenblicklichen Aufgabe beschäftigt war. Flint
nutzte jede Gelegenheit zum Schimpfen und Murren.
»Dein Magier da sollte besser wissen, wovon er spricht!«
beschwerte sich Flint und wischte sich mit dem Taschentuch die Stirn. Anschließend war das Tuch von Dreck und
Schweiß verschmiert.
Raistlin sah ihm fest in die Augen. »Wenn du Zweifel
hast, dann kehr um«, fauchte Caramons Zwillingsbruder,
der ebenso erschöpft war wie der Zwerg und solche Anstrengungen weitaus weniger gewöhnt war. Sein Gesicht
glänzte blaß. »Obwohl ich dachte, daß für jemanden von
deinen Waldläuferqualitäten dieser Ausflug ein Kinderspiel sein müßte.«
Flint setzte eine finstere Miene auf, hielt aber den Mund,
drehte Raistlin den Rücken zu und schlug wieder den Pfad
frei. Auch Tanis hätte etwas Zuspruch gebrauchen können,
aber er sah das ärgerliche Glimmen in Raistlins Augen und
sagte lieber nichts.
Schließlich schien der kaum sichtbare Pfad auf einer kleinen, grasbewachsenen Lichtung zu enden. An einem Ende
der Lichtung stand ein Mammutbaum, der mit anderen
Bäumen und großen Findlingen dahinter zu verschmelzen
schien. Unten an dem großen Baum klaffte ein schwarzes
Loch. Das mußte der Ort sein, denn aus der Höhlung drangen Nebelschwaden, die von einem seltsamen, brackigen
Geruch begleitet waren.
»Hallo!« rief Raistlin kühn. Als er sich in die Dunkelheit
bückte, klang seine Stimme im stillen Wald rauh und laut.
»Drei Freunde zu Besuch! Wir bringen Grüße von Morat,
dem Zaubermeister!«
Die einzige Antwort war Schweigen. Bei Raistlins Worten ringelten sich kalte, weiße Nebelfinger um seine Füße
und schoben sich
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