Der Bund der Drei
stubenrein«, sagte Frauchen, »das müssen wir ihm schleunigst angewöhnen .«
Wie Peter jedoch alles in seiner Jugend besonders schwerfiel, so auch die Stubenreinheit. Es mag sein, daß der strenge Winter dazu beitrug, jedenfalls zeigte er eine geradezu panische Angst davor, seine Geschäfte im Freien zu erledigen. Warum sollte man es auch, wo es doch so viel gemütlicher war, im schönen warmen Zimmer in die Kniebeuge zu gehen? Eines Abends, als wir ihn wieder einmal bei seiner Lieblingstätigkeit überraschten, erklärte ein Freund, der unsere Teppiche immer besonders geschätzt hatte, melancholisch: »Nunmehr ist auch die letzte Teppichdecke zur Berieselung freigegeben...«
Nach jedem Klaps und jedem Anschnauzer schlich er sich mit empörten Blicken aus seinen damals noch veilchenblauen Augen von dannen und flüchtete zu seinem großen Bruder.
Die ersten Nächte zwischen den beiden müssen übrigens ziemlich stürmisch gewesen sein. Jedenfalls hörten wir noch bis tief in die Nacht hinein Bewegung aus der Küche. Ab und zu quiekste Peterchen.
»Hoffentlich beißt er ihn nicht tot !« meinte Frauchen angstvoll, als wir uns zu dritt (Mathilde, ihre freundliche Fülle im Schlafrock bändigend, voran) gegen zwei Uhr morgens vor der Küchentür zusammenfanden. Wir horchten — Totenstille. »Wahrscheinlich ist er längst tot —«, neckte ich die beiden Frauen. »Um Gottes willen«, flüsterte Mathilde und öffnete die Küchentür. Ich knipste schnell das Licht an. Der Löwe lag ausgestreckt auf der Seite und zwischen seinen Beinen, das Köpfchen auf seinen Bauch gelegt, Peterchen. Und rund herum unzählige kleine Seen...
»Luftaufnahme von Finnland«, sagte ich und schloß grinsend die Tür.
Und dann kamen für Peterchen täglich neue Erlebnisse, wunderbare und schreckliche. Da kam der Onkel Doktor mit der Spritze, um ihm eine Ladung Anti-Staupe-Serum zu verpassen. Vor Peters Geschrei flüchtete der ganze Haushalt, hielt sich die Ohren zu und kam erst wieder zu sich, als er längst damit beschäftigt war, einen Schlüpfer von Mathilde aus dem Wäschekorb zu zerren...
Wenige Wochen später, als draußen schon der Schnee verschwand und sich die Bäume im Frühlingssturm bogen, kam die schlimmste Krise seines Lebens: aus der Küche hörten wir ein eigentümliches Geschrei. Es war nicht vollhalsbrüllend wie sonst, sondern seltsam unterdrückt, undeutlich. Wir hörten Mathilde lachen, und dann kam die kleine schwarze Kugel aus der Küche gerollt und warf sich mit den gleichen, entsetzlichen und undeutlichen Jammerlauten vor Frauchens Füße. Aus seinem Maul quollen immer neue Schaumblasen, die bald sein ganzes Köpfchen einhüllten; er fiel auf die Seite und wimmerte pausenlos. Alles war um ihn bemüht.
»Mathilde«, rief Frauchen, »kommen Sie her, was ist denn nur passiert ?«
Mathilde grinste verlegen und trocknete sich die Hände an der Schürze ab: »Passiert? Och, nichts, er hat sich, glaube ich, verbrannt, weil er das heiße Fett leckte, das aus dem Grill tropft...«
Ich kauerte mich auf den Boden, wir sperrten ihm vorsichtig den Schnabel auf und sahen eine grausam verbrannte kleine Zunge und Gaumen. Nun bekam es auch Mathilde mit der Angst zu tun, schlug die Hand vor den Mund und stotterte: »Achgottachgottachgottachgott, das ist doch nicht etwa schlimm ?«
»Er kann dran sterben«, sagte Frauchen und hielt die Tränen zurück, »Sie müssen besser aufpassen, Mathilde !« Und zu mir: »Bitte ruf doch rasch den Arzt an !« Und dann, das kleine wimmernde Bündel an ihr Herz drückend: »Mein Kleines, mein armes Kleines, solche Schmerzen, und nichts sagen können !« Nun liefen ihr die Tränen übers Gesicht. Ich fluchte am Telefon, weil die Verbindung nicht zustande kam.
Die nächsten Tage waren ausgefüllt durch den gemeinsamen Kampf um Peterchens Leben. Er fraß nichts, er trank nichts, er wurde immer matter, der ganze Körper war fiebergeschüttelt, und er kroch nur unter den warmen Heizkörpern herum. Der Onkel Doktor kam wieder und wieder und machte ein besorgtes Gesicht. Auf der Zunge und in der Rachenhöhle hatten sich große Brandblasen gebildet, die aufplatzten und furchtbare Wundflächen hinterließen. Alle Stunde mußte ihm das Mäulchen ausgewaschen werden, mußte man ihm kühle Milch und Honig einflößen, und nur ganz allmählich überwand er die Verletzungen und begann wieder, in der Wohnung herumzutaumeln.
Aber nach drei Wochen war auch diese Krise überwunden, und da warf ich zum
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