Der Bund der Drei
erstenmal eine Frage auf, die zur zweiten Krise seines Lebens führen sollte: »Sag mal«, fragte ich meine Gefährtin, »er ist doch ein Pudel ?«
»Na und?« Es klang unsicher, herausfordernd.
»Ich meine nur so —. Wann pflegen sich eigentlich bei jungen Pudeln die Haare zu kräuseln ?«
»Na siehst du nicht, dort fangen sie doch schon an«, und sie zeigte dabei auf eine einsame Locke, die sich auf Peterchens Kopf wölbte.
»Hat uns die Züchterin eigentlich schon den Stammbaum geschickt ?« bohrte ich weiter.
»Nein, sie hat es sicher vergessen. Ich werde gleich mal anrufen !«
Ein weiterer Monat verging. Die Aprilregen waren vorbei, und der Garten verschwendete sich in tausend Blüten. Maikäfer schwirrten durch die Gegend, vor denen sich Peterchen, dem Beispiel seines großen Bruders folgend, unter die Büsche verkroch. Die Züchterin, wegen des Stammbaums erinnert, machte seltsame Ausflüchte am Telefon, und so bestiegen wir eines Tages Muckelchen , das Familienauto, und fuhren zu ihr hinaus. Da legte sie ein Geständnis ab: am Tage vor der offiziellen Hochzeit hatte ein uralter, blinder Foxl-Opa seinen Weg zur Pudelhündin gefunden und war dem auserwählten Pudelrüden zuvorgekommen. »... und deshalb«, sagte die Züchterin, »habe ich schon alle anderen Welpen zurückbekommen. Es ist mir furchtbar peinlich, aber der Kaufpreis steht Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Lassen Sie den Hund gleich hier .«
»Und, was machen Sie mit ihm ?«
»Ich lasse ihn natürlich töten! Er merkt gar nichts«, fügte sie hinzu, als sie unsere entsetzten Gesichter sah.
Wir sprangen zu gleicher Zeit auf: »Was, unser Peterchen töten? Kommt ja gar nicht in Frage! Der Teufel soll alle Stammbäume der Welt holen !« Und wir packten ihn und verließen fluchtartig die Stätte der Gefahr.
Von da ab gaben wir es auf, das Kräuseln der Haare zu erwarten. Peterchen derweilen wuchs und gedieh ungeachtet aller rassischen Probleme. Sein Leben entwickelte sich völlig im Schatten des Löwen, der ihn zu seinem bedingungslosen Sklaven und Anbeter gemacht hatte und ihn mit brummiger Freundlichkeit um sich duldete. Wenn er eine Maulwurfsfamilie ausgrub, durfte Peter jetzt schon assistieren, indem er hinter ihm die Erde wegschaffte. Er durfte auch manchmal, wenn der Trichter ausgeräumt war, hineinriechen. Er war jetzt stubenrein und konnte auch schon das Beinchenheben, was er pünktlich überall dort tat, wo Cocki diese kultische Handlung vollzog.
Seine äußere Erscheinung ließ allerdings noch zu wünschen übrig. Der Bauch blieb bejammernswert kahl, worauf ich ihn das >Fünfzig-Pfennig-Hündchen< taufte und erklärte, für diesen Preis könne man eben nicht mehr verlangen, und es sei wie beim Volkswagen, wo zugunsten der beweglichen Teile an der äußeren Ausstattung gespart werde. Die Beinchen, die sich jetzt mächtig streckten, blieben dünn und ohne jeden Behang, was ihm auch den nicht gern gehörten Beinamen >Fliegenbein< eintrug. Dafür begann sich die hohe Pudelstirn mit einem Gelock zu bedecken. Auch an den Hinterschenkeln, wo er eine bescheidene Andeutung von Höschen entwickelte, zeigten sich diese eisengrauen Töne.
Die Augen waren inzwischen braun geworden und nahmen jenen seltsamen, rührenden Ausdruck an, der ihm bis auf den heutigen Tag aller Herzen gewonnen hat. Meist liegt unendliche Trauer in ihnen, manchmal aber können sie geradezu visionär strahlen. Das ist oft abends der Fall, wenn wir mit den Hunden beim Radio sitzen, in der kleinen Lichtinsel, die die Stehlampe wirft. Dann kann er sich plötzlich aufrichten und über unsere Köpfe hinweg in irgendeine dunkle Ecke starren, als sähe er dort einen Elementargeist sich bewegen oder den Schatten eines Verstorbenen. Es läuft mir regelmäßig kalt über den Rücken, wenn ich diesen Blick sehe, und unwillkürlich drehe ich mich in seine Blickrichtung...
»Siehst du ihn ?« frage ich Peter flüsternd; »was erzählt er dir über uns Menschen?«
Irgendwie scheint dauernd eine Schicksalsangst über ihm zu liegen, und wir können uns nicht erklären, woher sie kommt, denn er war doch immer nur in unserer Hand und ist stets aufs liebevollste behandelt worden. Aber er sieht sich ständig bedroht und weicht Menschen und Tieren aus. Wenn Cocki und andere Hunde, >furchtbar böse< spielend, den Zaun auf und ab rasen, bleibt er stehen und sieht mich an, als wolle er sagen: »Na, was sagst du zu diesen blöden Kerlen... ?« Vor dem Angriff so großer Hunde
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