Der Bund der Drei
ganzen Sinne auf eine höhere Stufe der Empfindlichkeit, mein Leben wird schneller und intensiver, siebenmal schneller, siebenmal intensiver. Ich spüre den rauhen Stoff der Couch, auf dem ich liege. Ich fühle die große Mulde, in der es teils nach Herrchen, teils nach Cocki, teils nach mir selbst riecht. Der Mächtige hält meinen Kopf, ich bin ganz in seinen Händen, die mich weich und kühl umschließen. Ich spüre die ungeheure Kraft in diesen Händen und in den Armen dahinter, die über mir aufsteigen und sich dann über die Schultern hinaufschwingen zu seinem Gesicht, aus dem seine hellen Augen hinter den dicken Brillengläsern in mich dringen. Der Mächtige — man darf ihn nicht erzürnen, aber man soll sich ihm möglichst fernhalten, ihm und den anderen Mächtigen. Ich wenigstens muß es tun, denn mein Leben ist bedroht. Das sagt mir die Stimme, die bei mir war seit dem ersten Tage und die von der Mutter kam...
Draußen geht der Wind durch die Bäume. Unter dem Himmel lauert der Frost und will mich beißen. Ich friere so leicht, und ich kann auch nicht lange draußen bleiben. Der Winterdämon ist gekommen und hat meinen Garten verzaubert, meine Blumen getötet, meine Zweige kahl gemacht. Wie gut, daß ich diese warme Höhle hier habe und daß die Mächtigen ihr Fressen mit mir teilen. Ich würde nie mein Fressen mit jemandem teilen, ich darf es ja nicht, sonst sterbe ich... Sie sind seltsam, die Mächtigen. Sie schlucken Rauch, sie ziehen sich ihr Fell herunter, wenn sie schlafen gehen. Wenn sie durch die Zimmer wandern, zittert der Boden. Sie haben vor nichts Furcht. Manchmal kommt etwas von ihnen zu mir, eine warme Welle, ich spüre, daß sie mich lieben, und dann ist es mir, als läge ich zwischen den Pfoten meiner Mutter, und ihre heiße Zunge fühle ich auf meinem Fell. Dann überlasse ich mich ihnen ganz, aber ich darf es nicht lange tim, sonst wird man verschlungen und findet nie mehr zurück... Man muß sich losreißen und wieder achtgeben, immer muß man achtgeben! Man darf nicht vergessen, daß sie in einer ganz anderen Welt leben.
Wenn ich zum Beispiel draußen einen wundervollen Duft finde und mich hinwerfe und meinen ganzen Körper darin bade und fröhlich nach Hause komme und glaube, auch sie, die Mächtigen, werden entzückt sein, dann gibt es gleich oben über mir, zwischen ihren Köpfen hin und her, ein Geschrei, und ihre Hände kommen aus der Höhe zu mir und greifen mich. Es sind unfreundliche, harte Hände dieses Mal! Sie heben mich in das Weiße, Glatte, und dann ergießt sich heißes Wasser über meinen Körper, und zwischen ihren Händen quillt weißer Schaum auf, der furchtbar stinkt. Und sie umhüllen mich damit. Wissen sie denn nicht, daß meine Nase mein halbes Leben ist und daß ich an dem Leiden dieser Nase fast eingehe, daß ich mein ganzes Leben verliere und nur noch schlotternde Nässe und Grauen vor dem Gestank bin? Hinterher gibt es dann ein süßes Plätzchen, einen von diesen mageren Happen, die ohne Fleisch sind, aber gut schmecken. Ich nehme es — aus Prinzip —, aber mit Vorbehalt, denn der scheußliche Geruch wandert mit mir.
Ich laufe zu meinem Bruder Cocki, um mich bei ihm zu beklagen. Aber selbst er, der Starke, hat sich schnell verkrochen, als sie dies mit mir taten. Und jetzt weicht er vor mir zurück, zieht die Nase kraus, weil mein Geruch ihn peinigt.
Mein Bruder Cocki ist das Beste in dieser ganzen Welt, die so beängstigend voll unerklärlicher Gerüche, Strahlen, Laute und Schatten ist. Cocki ist stark, und seine Welt ist geordnet. Mai) muß auch ihn fürchten, aber man kommt gut mit ihm aus, wenn man ihm nachgibt und schmeichelt. Wenn ihn zum Beispiel das Weiblich-Mächtige in dem großen schwarzen Kasten mit den Rädern mit in die Stadt genommen hat, und er kommt zu mir zurück, dann falle ich ihm um den Hals und küsse ihn. Er wehrt mich brummig ab, aber ich weiß, daß er es im Grunde doch gern hat. Wenn ich draußen mit ihm in der Freiheit herumlaufe, habe ich selten Angst. Er nimmt es fast mit jedem Feind auf und beschützt mich. Er ist nicht so schnell wie ich, aber er riecht besser, und er weiß viel mehr von den Tieren über und unter der Erde. Nachts, wenn wir zusammen schlafen, stecke ich manchmal den Kopf aus der Decke, in die man mich gewickelt hat, und horche auf sein Atmen. Er wacht niemals lange Nachtstunden wie ich und horcht nicht, wie es im Hause knackt und wie draußen der Wind geht und wie ganz von fern ein anderer Hund seine
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