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Der Bund der Drei

Der Bund der Drei

Titel: Der Bund der Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G Bentz
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flüchtet er windschnell und zitternd, nur mit einer Ausnahme:
    Ich habe es viele Male erlebt, daß er sich, wenn Cocki von einem größeren Hunde angefallen wurde, vor Angst schlotternd, aber nichtsdestoweniger ohne Zögern, auf den großen Hund stürzte und ihn in Schwanz und Hinterkeulen biß, so daß der kleine Löwe Luft bekam und entfliehen konnte. Dieses, das Überwinden der eigenen Todesangst aus Liebe zu einem anderen Wesen, ist für mich das wahre Heldentum. Die robusten Kerle, mit Nerven wie Schiffstaue, die sich gar nichts dabei denken, wenn sie sich raufen, sind keine Helden. »Ein Held ist — wer es trotzdem tut !« Und deshalb ist Peter in meinen Augen ein wahrer Held!
    Peters Spiel ist voller Einfälle und meisterhaft, und der Ball ist ebenso beliebt wie das Stöckchen. Mit katzenhaften Bewegungen schlägt er den Ball mit den schlanken, sehnigen Pfoten so geschickt vor sich her, daß man tatsächlich manchmal die Vision einer huschenden Maus hat. Diese hinreißende Begeisterung für das Spiel bringt sogar manchmal den Löwen in Wallung, der sonst für alles nicht freßbare Spielzeug tiefste Verachtung zeigt. Dann furcht er die Stirn, reißt Peter den Ball weg und schleppt ihn ins Haus unter die Kommode.
    Die Kommode in der Diele ist aber auch Peterchens Zuflucht. Wenn Herrchen und Frauchen schimpfen oder wenn es gar einmal für Cocki Hiebe setzt, schießt er wie ein Blitz — obwohl keineswegs betroffen, denn er wird fast niemals bestraft — in diese Höhle. Wenn Cocki seine Senge hinter sich hat, kriecht auch er unter die Kommode, und in diesem Fall macht ihm Peter nicht Platz, offenbar, weil ihm der große Bruder, frisch verbimst, in diesem Augenblick nicht gerade als Inbegriff der Überlegenheit erscheint.
    Dann sieht man auf der einen Seite Peterchens dünne schwarze Pfoten, auf der anderen Cockis dicke Tatzen hervorragen. Dazwischen liegen die üblichen alten Kochen, die man sich als Andenken von der letzten Müllkastentour mitgebracht hat.
    Peters ganzes Glück ist der Garten. Wenn er seinen großen Bruder nicht gerade auf der Brautschau begleitet, kehrt er von den gemeinsamen Ausflügen immer schon früher zurück, nur um bald wieder in seinem geliebten Gefilde zu sein. Mit unzweifelhaftem Genuß bettet er sich in die Blumenwildnis, liegt dort, das Köpfchen erhoben, aus den braunen Affenaugen um sich blickend, in den Himmel starrend, ab und zu nach einer Fliege schnappend. Oder er streicht geruhsam durch sein kleines Reich, sieht sich, wie ein Gärtner, jede Pflanze an, schnuppert lange an der Stelle, wo eben noch das Eichhörnchen die Haselnuß in den Pfoten drehte, scheucht eine dicke Krähe weg, die sich schimpfend auf den nächsten Baum flüchtet; und dann läßt er sich als Wächter auf der sonnenwarmen Treppe nieder, die Pfoten malerisch über die Stufen gehängt, und >besitzt< das alles im wahrsten Sinne des Wortes.
    Peter ist bei weitem der klügste und eigenartigste der Hundesöhne. Bei aller Folgsamkeit gegenüber Cocki und Höflichkeit gegenüber dem Menschen hält er sich im Grunde völlig zurück. Er lebt sein eigenes, verschlossenes, tragisch umwittertes Leben, dessen wirkliche Tiefen man niemals ganz ausloten wird.
    Einmal versuchte ich dieses Leben zu ergründen. Es war an einem Winterabend, als er im zweiten Jahr in unserm Haus lebte. Ich saß am Schreibtisch, der Rauch meiner Zigarre wölkte blau über die Tischplatte und zog sich in langen, zähen Fäden durch die Lichtbahn der Lampe. Aus dem Sessel neben dem Bücherschrank hörte ich Cockis wohliges Pusten und Schlapfen. Der Wind ging in einem gleichmäßigen Brausen um das Haus. Auf der Couch hatte sich Peterchen angesiedelt. Ich hatte lange über ihn nachgedacht. Jetzt dreht ich die Lampe nach ihm. Er richtete sich auf, während seine Augen in höllengrünen Reflexen spiegelten. Er hob die eine Pfote in Abwehr. Ich stand auf und trat zu ihm:
    »Schon wieder Angst, Peterchen? Es tut dir doch niemand was !« Und dann setzte ich mich zu ihm nieder, nahm das kleine Affenköpfchen mit dem ewig nassen Bart in meine Hände und starrte in seine offenen Augen, die mich nun wie zwei Bernsteinkugeln anblickten. Erst suchte er mir den Kopf zu entziehen, aber ich ließ nicht nach. So wurde er ruhig, während mein Blick immer tiefer in seine Augen drang. Und ich ließ mich mit diesem Blick in seine Seele sinken.
    Und nun bin ich — Peter! Ich habe lange, schwarzbehaarte Beine, mein Blut wird wärmer, mit einem Ruck springen meine

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