Der Bund der Illusionisten 1
zu der Stille meines eigenen Schlafzimmers. Als ich auf meiner Pritsche lag, rieb er meine kalten Finger und deckte meinen zitternden Körper mit einer Decke zu, strich mir sanft über das Gesicht und die Haare. Da war keinerlei Triumph in ihm, keine Befriedigung. Als ich nicht weinen konnte, als ich zusammenschrumpfte und innerlich erfror, war es Brand, der Tränen in den Augen hatte.
» Lass ihn nicht in meine Nähe kommen«, flüsterte ich. » Ich will ihn nicht sehen.«
» Er kommt hier nicht rein«, versprach er, und er hielt Wort. Temellin kam und wurde abgewiesen.
Als mein Zittern nachlieÃ, war es Brand, der versuchte, mich zu trösten. » So schlimm ist es nicht, Ligea. Du hast der Göttin und ihren Regeln nie sonderlich gehuldigt, also kannst du auch nicht wirklich glauben, dass du gesündigt hast.«
» Gesündigt? Nein. Es ist nurâ schon der Gedanke daran, so etwas zu tun«, sagte ich schlieÃlich. » Es ist unnatürlich. Und sie halten es für so normal. Oh, Göttin, Brand. Ich wollte ihn so sehr. Ihn nur anzusehen hat schon gereicht, meine Sehnsucht nach ihm zu entfachen. Und glaubst du, ich werde mich jetzt irgendwie anders fühlen? Ich werde mich immer daran erinnern; es wird immer einen Teil in mir geben, der ihn noch will. Und doch macht mich der Gedanke an seine Berührung jetzt⦠er macht mich krank. Körperlich krank.«
Er sah mich an und hörte, was ich nicht sagte. Ich hatte Temellin geliebt. Er las es in meinem Schmerz. » Dann lass uns von hier weggehen«, sagte er schlieÃlich. » Zurück nach Madrinya, wenn es sein muss. Hol die Legionen her, schleife diesen Ort bis auf die Grundmauern, töte alle, wenn das der einzige Weg ist, wie du deine Geister besiegen kannst.« Er wies damit natürlich auf das hin, was ich nicht tun konnte, und zwang mich dazu, klar zu denken.
» Verflucht, Brand«, sagte ich. » Du weiÃt, dass ich das nicht kann. Vielleicht hätte Kamerad Ligea von Tyr, dieses Miststück, es gekonnt, aber sie existiert nicht mehr. Er ist mein Bruder. Mein Fleisch und Blut.« Ich drehte mein Gesicht zur Wand. Es war schwer, die nächsten Worte zu sagen, ihm zu sagen, worüber ich mich geweigert hatte nachzudenken, seit ich in der Zitterödnis die Wahrheit erfahren hatte. » Er ist der Vater meines Sohnes.«
Er war reglos vor Schock. » Das kannst du unmöglich wissen«, sagte er nach einer langen Pause. » Du kennst ihn erst seit⦠wie lange, zehn Tage? Wie willst du da wissen, ob du�«
» Ich weià es. Ich weià es genauso klar, wie ich weiÃ, wenn jemand lügt. Da wächst Leben in mir, sein Sohn. Sein Neffe.« Ich lachte bitter. » Ich werde Mutter und Tante zugleich sein.« Ich mühte mich von der Pritsche herunter und trat zum Fenster. Ich hatte von meiner Schwangerschaft im Bruchteil eines Augenblicks erfahren, als ich im Innern der Zitterödnis gewesen war. Das Wissen war einfach plötzlich in meinem Körper gewesen, in meinem Geist. Und mehr als das; ich hatte das Geschlecht des Kindes gewusst. Ein Junge, der am ersten Tag empfangen worden war, als ich von der Anziehungskraft zwischen einer Magoria und einem Magor so überwältigt worden war, dass ich alle Vernunft und sämtliche VorsichtsmaÃnahmen für ein bisschen Vergnügen beiseitegeschoben hatte. Die Göttin Meleteâ oder das Schicksal, wie immer man das nennen wollteâ hatte mich für diesen Moment fiebriger Leidenschaft zahlen lassen.
Zweifellos hätte das Wissen um das Kind, meinen Sohn, eine Quelle der Freude sein sollen, der Verwunderung. Aber wie konnte ich mich freuen, wenn ich davon erfahren hatte, kurz nachdem ich eine abscheuliche Vision von Tod und Sterben gesehen hatte? Die Vision eines namenlosen Kindes, das dem Leib einer namenlosen Mutter entrissen worden war, was deren Tod verursacht hatteâ und wofür? Für irgendein krankes Ziel der Illusionierer? Was für einen Schluss sollte ich daraus ziehen, abgesehen vom Offensichtlichen? Und das war das andere, woran ich während der letzten Tage versucht hatte, nicht zu denken: Ich war dazu ausersehen, ein Opfer zu sein, ein ungeborenes Kind zur Verfügung zu stellen.
Aber jetzt tauchten Fragen auf. Vielleicht hatte ich die Bedeutung der Vision missverstanden. Vielleicht hatten die Illusionierer mir etwas anderes erzählen wollen: dass das Kind eine
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