Der Bund der Illusionisten 1
weitergereicht werden würde. War das der Plan, den Rathrox und Bator Korbus zusammen ausgeheckt hatten, um zu triumphieren? Sie hatten gewollt, dass ich den Illusionisten entweder tötete oder gefangen nahm. Und dann hatten sie vielleicht vorgehabt, mir zu sagen, wer ich warâ um mich, die gehorsame und loyale Ligea, als rechtmäÃige Herrscherin bei den Karden einzusetzen. Eine dankbare Vasallin, die tat, was ihr von Tyr befohlen wurde.
Göttinverdammt. Das Orakel. Natürlich. Sie hatten versucht, meiner Zukunft einen spirituellen Anstrich zu verleihen und in mir ein Gefühl der Bestimmung zu erwecken, indem sie mich zum Orakel geschickt hatten. Wie hatten die Zeilen noch gelautet?
» Und die neu gewonnene Macht
Bringt sie am Ende in eine Stellung voll Glanz und Pracht.«
Eine Stellung voll Glanz und Pracht. Illusionistin von Kardiastan. Göttinverdammt.
Zerise beobachtete mich verwirrt. » Mein Kind, wieso grämst du dich so? Deine Liebe zum Illusionisten ist gesegnet. Akzeptiere sie. Begib dich freudig in seine Arme. Trage seine Kinder aus. Wieso willst du dich an die Gesetze eines Landes klammern, das nie wirklich deines war? Du bist eine Kardin; du bist eine Magoria. Freue dich darüber!« Ihre Stimme klang jetzt schärfer, hatte eine Eindringlichkeit, die zu ihrem Aussehen passte. Sie lieà eine knöcherne Hand vorschnellen und packte meinen Arm. » Du hast eine Pflicht gegenüber den Magori. Wir alle haben eine Pflicht ihnen gegenüber! Sieh mich an, Magoriaâ ich war eine Schwester, eine Kinderschwester. Kannst du das erkennen, wenn du mich heute ansiehst? Ich bezweifle es. Ich bin keine Schwester mehr gewesen, seit ich gezwungen war, durch das Blut der Kinder zu waten. Auf dem Arm trug ich die einzigen zwei Säuglinge, die ich retten konnte, beides Theuros-Kinder. Und dann wurde mein Gesicht so zerstört, dass es nicht wiederhergestellt werden konnte. Jetzt kämpfe ich. Mein Cabochon wird eines Tages einen Legionär zu Asche verbrennenâ und das mir, die ich einst nur dafür lebte, mich um meine kleinen Kinder zu kümmern. Deine Pflicht ist wichtiger als deine Wünsche, Magoria.«
Ich schluckte Galle hinunter und sagte: » Bitte Brand hereinzukommen, Imaga Zerise, ja?«
Sie hörte die Zurückweisung, und das Feuer erstarb. Als sie allerdings auf dem Weg nach drauÃen war, drehte sie sich noch einmal zu mir um. Sie wollte noch etwas sagen, setzte auch schon an und änderte dann doch ihre Meinung. Ein ungewöhnlicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht. Er war so flüchtig, dass ich nicht sicher war, ob ich ihn wirklich gesehen hatte, aber ich blieb mit dem Gefühl zurück, dass ich eine so tiefgehende Bestürzung gesehen hatte, dass sie an Panik grenzte. Und dann war sie weg.
Ich dachte: Wenn ich zur Bruderschaft zurückkehre, kann ich über dieses Land herrschen. Ich kann haben, was immer ich will. Macht. Reichtum. Respekt. Die Dinge, die ich immer gewollt habe. Die Vorhersagen des Orakels würden alle wahr werden. Göttinverdammt.
Früher einmal hätte mir dieses Wissen süÃe Träume beschert. Früher einmal hätte es meine Augen vor Triumph glitzern lassen. Stattdessen drängten sich mir nun nur Fragen auf. Hässliche, herausfordernde kleine Fragen, die Antworten verlangten und die sich weigerten zu verschwinden. Die Macht, was zu tun? Den Respekt von wem? Wieso solltest du mehr Reichtum haben wollen, als du ohnehin schon hast? Und würde der Puppenspieler diesmal anders sein?
Als Brand zurückkehrte, sagte ich leise zu ihm: » Ich habe mich entschieden. Ich werde hierbleiben. Ich werde die Bräuche der Magori lernen und eine Kardin sein. Wenn du klug bist, verlässt du mich. Such dir irgendwo ein eigenes Leben. Geh nach Tyr und lass dir in meinem Anwesen das Geld geben, das dir zusteht, und dann geh nach Altan. Führe dein eigenes Volk in die Freiheit.«
» Einfach so, ja?« Er gab ein ungläubiges, süffisantes Kichern von sich. » Und ich bin immer noch ein Bruder für dich, Ligea-Derya-Shirin?«
» Neinâ nein. Das war dumm. Jetzt, da ich es richtig gespürt habe, kenne ich den Ekel des wirklichen⦠Inzests. Du bist ein Freund, Brand. Der beste Freund, den ich jemals hatte oder jemals haben werde. Deshalb bitte ich dich zu gehen. Es gibt nichts, das ich dir bieten könnte. Du bist besser dran, wenn du mich verlässt und dir ein
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