Der Bund der Illusionisten 1
tut mir mehr leid, als ich sagen kannâ das alles. Ich wünschte⦠ich wünschte, alles könnte anders sein.«
» Es könnte anders sein, wenn du mir glauben würdest. Aber egal. Wenn die Eisernen angreifen, denkst du vielleicht noch einmal darüber nach.« Sofern es nicht zu spät für uns alle ist. Zu spät für die Illusion.
» Wenn du irgendetwas brauchst, lass es mich wissen. Ich werde dafür sorgen, dass du alles erhältst, um dir deine Gefangenschaft angenehmer zu machen.«
» Oh, hör auf damit, Temellin. Gefangenschaft kann niemals etwas anderes als unangenehm sein, selbst wenn die Illusion alles tut, um mich zu unterhalten. Und pass auf die Fische auf«, fügte ich hinzu, als er sich abrupt umdrehte, um mich zu verlassen.
Nachdem er gegangen war, sank ich zitternd auf die Pritsche; jetzt, da ich allein war, strömten all meine Emotionen aus mir heraus.
Zwei Nächte später kam Pinar.
Sie kam spät, lange, nachdem ich eingeschlafen war, und sie kam lautlos. Allerdings war ich auf die Boshaftigkeit ihrer emotionalen Aura eingestimmt und erwachte genau in dem Moment, als sie das Zimmer betrat. » Was willst du, Pinar?«, fragte ich.
Sie antwortete nicht. Sie hob ihre linke Hand und schickte von ihrem Cabochon aus einen dünnen Lichtstrahl durch das Zimmer, zielte damit auf die Kerze auf dem Tisch unter dem Fenster. Als er sie erhellte, lieà sie ihn einen Moment darauf ruhen, bis sich die Kerze entzündete. Dann wanderte sie in ihrem Schein durch das Zimmer, begutachtete die Fische in ihrem schwebenden Wasser, die Blasen, die Wandmalereien, das Badezimmer. Als sie fertig war, hatte ich mir etwas umgelegt und streckte mich lässig in dem einzigen Stuhl aus, der sich in diesem Zimmer befand.
Sie trat näher zu mir, die Hände in die Hüften gestemmt, das Schwert noch in der Scheide. » Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte sie. » Wieso tun die Illusionierer so etwas für dich?«
Ich zuckte mit den Schultern. » Vielleicht als Ausgleich für eine ungerechtfertigte Gefangenschaft?«
» Temellin hätte dich töten sollen. Du bist gefährlich.«
Ich machte eine Geste, die meine Müdigkeit verriet. » Pinar, sei nicht albern. Als Nächstes wirst du dir noch einreden, dass ich wirklich versucht habe, dich zu töten, obwohl es andersherum war.«
» Was ich getan habe, war gerechtfertigt. Du bist immer noch eine Gefahr für uns. Und mindestens genauso schlimm ist die Tatsache, dass deine Gefangenschaft Temellin ebenfalls zerstört. Schuldgefühle quälen ihn. Schuldgefühle! Als müsste er sich wegen irgendetwas schuldig fühlen! Ich habe versucht ihm zu sagen, dass es für uns alle besser wäre, wenn du stirbst, aber er will nicht auf mich hören.«
Ich wölbte eine Braue in einer spöttischen Geste, um meinen Schmerz zu verbergen. » Arme Pinar, erst ein paar Wochen verheiratet, und schon missachtet dein Ehemann deine Ratschläge?«
Der harte Ausdruck auf ihrem Gesicht erinnerte mich an Rathrox, wenn er plante, sich an jemandem zu rächen, von dem er sich beleidigt fühlte.
Das Gefühl blieb, auch als sie bereits gegangen war. Zum ersten Mal, seit ich erwachsen war, hatte ich keinerlei Kontrolle über mein eigenes Schicksal. Ich hatte mich noch nie so hilflos und frustriert gefühlt. So machtlos. Ich bezweifle, dass sich jemand eine wirkungsvollere Form der Rache hätte ausdenken können als diese.
Am nächsten Morgen brachte mir Imago Reftim wie immer das Frühstück und lieà es auf dem Tisch stehen. Gewöhnlich warf er einen raschen Blick in den Raum, um herauszufinden, welche Veränderungen sich während der Nacht ergeben hatten; dieses Mal schien er daran jedoch nicht interessiert zu sein. Es gab allerdings ohnehin nicht viel Neues, und es war auch nicht viel weggenommen worden. Die Fische schwammen immer noch in ihrem von nichts begrenzten Wasser und streckten gelegentlich ihre Nase in die Luft, bevor sie sich wieder in die Sicherheit ihres eigenen Elementes zurückzogen. Reftim achtete nicht auf sie, sondern nickte kurz in meine Richtung, ohne mich wirklich zu sehen, und verlieà das Zimmer so schnell wie möglich.
Beunruhigt durch sein Verhalten trat ich an den Tisch und setzte mich hin. Frisches Brot war da, ein Glas mit Saft, ein Topf mit heiÃem Kräutertee, geräucherter Fisch und frisches Obst. Mein
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