Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
Temellin.« Garis zögerte. » Er entspricht nicht meinen Vorstellungen eines guten Menschen. Er mag den Krieg und das Töten zu sehr. Er hat die Vision, dass Kardiastan sich ausbreiten sollte, und bringt diese Ideen ständig vor den Rat. Er erzählt Geschichten von Eroberung und Macht und macht mit ihnen junge Männer ruhelos. Ich finde, dass sein Vater kalt und unpersönlich ist, und Firgan scheint diesen Charakterzug von Korden zehnfach verstärkt geerbt zu haben. Ich sehe sein Herz nicht. Ein guter Soldat, ein mutiger Mann, ein Anführer– diese Eigenschaften bedeuten nicht notwendigerweise, dass jemand auch ein aufrechter Mann ist. Ich habe nie Sympathie für Firgan empfunden. Aber andererseits war da auch nie Feindseligkeit.« Er zuckte mit den Schultern. » Am besten, du bildest dir selbst deine Meinung, statt auf mich zu hören. Wie auch immer, du hast Temellin, der dich führen kann, und er weiß weit mehr als ich. Ich habe ja gar nicht hier in Madrinya gelebt, sondern bin ständig durch das Exaltarchat gereist.«
Durch das Exaltarchat gereist. Mit Brand.
» Mögen die Götter mir helfen«, dachte Arrant. » Warum muss ich mich ständig erinnern?«
Er unterdrückte ein Zittern. Als Fünfjähriger hatte er seinen Vater geliebt. Aber jetzt war Temellin jemand, den er nur vom Lesen seiner gelegentlichen Briefrolle kannte oder indem er andere über seine Heldentaten sprechen hörte. Held, Krieger, Befreier… Geschichten gaben Temellin eine Statur, die Arrant stolz darauf machte, sein Sohn zu sein, aber sie machten es ihm nicht leichter, an das bevorstehende Treffen zu denken.
» Angst?«, fragte Garis.
Er nickte. » Weißt du, warum mein Vater wollte, dass ich erst jetzt hierherkomme und nicht schon früher?«
» Nun, zuerst hat es einen Sinn gehabt– glaube mir, wenn die Verheerung einen nicht mag, ist es besser, irgendwo zu sein, wo sie nicht ist. Und ein Kind mit einem Cabochon außerhalb der Illusion zu verstecken, in einem Land, das von Legionären besetzt ist, die nach allen suchen, die einen Edelstein in der Handfläche haben, wäre nicht leicht gewesen. Also war es sinnvoller, dass du dich in den Bergen von Tyrans versteckt hast. Und nachdem wir die Legionen aus Kardiastan vertrieben hatten? Nun, wir alle dachten, du solltest zu diesem Zeitpunkt zurückkehren. Nur Temel sagte, du solltest bleiben, wo du bist. Niemand von uns hat es verstanden. Ich vermute, du wirst ihn selbst fragen müssen. Ich kann dir nur versichern: Es war bestimmt keine Entscheidung, die er aus einer Laune heraus getroffen hat.«
Er deutete nach vorn. » Du kannst die Pavillons von hier aus sehen. Eigentlich sind es der Tradition gemäß immer acht gewesen, aber die alte Magoroth-Ratshalle ist während des Schimmer-Fest-Massakers bis auf die Grundmauern abgebrannt, und die anderen wurden später von den Legionen absichtlich dem Erdboden gleichgemacht. Wir haben sie noch nicht alle wiederaufgebaut. Der größte da in der Mitte ist die neue Halle, die rechts davon sind die drei Akademien. Im Augenblick halten wir auf den Pavillon des Illusionisten zu, der uns am nächsten ist.«
» Wird mein Vater dort sein?«
» Wahrscheinlich. Er lebt da nicht nur, sondern er arbeitet dort auch. Es ist das Herz unserer Verwaltung. Du wirst bei ihm in den privaten Gemächern des Illusionisten bleiben, im hinteren Teil.« Er warf Arrant einen Blick zu. » Es gibt nichts, wovor du Angst haben müsstest.«
Aber Arrant hatte trotzdem Angst. Vielleicht hatte Temellin bereits gehört, was sein Sohn getan hatte. Die Kuriere, die die Briefrollen von Tyr nach Madrinya und zurück trugen, waren bekannt dafür, sehr schnell zu reisen, und sie nahmen den Weg über Ordensa, während Garis und Arrant in gemächlicherem Tempo gereist waren. Wie würde Temellin reagieren, wenn er hörte, dass Ligea verletzt worden war?
» Cabochon, hilf mir«, dachte er. » Wie kann ich es jemals erklären, ohne zu sagen, wieso ich eifersüchtig auf Brand war?« Und doch war seine Eifersucht die einzige Erklärung– so armselig sie auch sein mochte–, die er für sein Verhalten hatte, durch das Ligea letztlich an ihre Feinde verraten worden war.
» Es muss von dir kommen, das weißt du«, sagte Garis sanft. » Ich werde Temellin gar nichts sagen.«
Arrant schluckte und nickte.
Garis sprach weiter. » Er wird sicherlich eines Tages die Einzelheiten hören, von irgendwem und irgendwo– und wahrscheinlich entstellt. Es wird besser sein, wenn du es ihm selbst
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