Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
blähte sich der Staub über ihm auf, um ihn herum. Er hustete, würgte und sprang in Bauer Kallards Senfbeet, vergrub sein Gesicht in den Pflanzen und zog seinen Bolero hoch, so dass er ihn benutzen konnte, um seine Nase zu bedecken. Das Geräusch seiner keuchenden Atemzüge wurde vom Heulen eines Windes ausgelöscht, der genauso klang, wie er selbst sich fühlte: verloren, verzweifelt, allein. Wie eintausend verlassene Kinder, die ihr Entsetzen herausschrien. Etwas fiel ganz in der Nähe zu Boden, und der Aufprall ließ die Erde erzittern.
Und dann fing alles an zu verblassen. Der Wind zog weiter, das Heulen erstarb zu einem weit entfernten Kreischen und dann zu nichts. Eine unheimliche Reglosigkeit senkte sich über die Höfe und den See. Eine Reglosigkeit, die aber keine echte Stille war. In der Nähe hörte er ein Schnüffeln, ein schnaubendes Grunzen. Er bewegte sich, und Staub rieselte in roten Strömen von seiner Kleidung. Er schüttelte den Kopf, und Staub regnete auf seine Schultern; er war überrascht, dass er noch am Leben war. Er hievte sich in eine aufrechte, sitzende Position und sah sich um. Blinzelte, denn er erkannte die Welt nicht wieder. Alles war mit rotem Staub bedeckt. Die Stängel des Senfbeets waren zerbrochen, die Blätter verdorrt und braun. Auf der Oberfläche des dahinterliegenden Sees lag eine dicke Schicht aus Staub und Schaum. Als er aufstand, wirbelte erneut roter pudriger Staub durch die Luft, senkte sich nur zögernd.
Stolpernd und hustend machte er sich wieder auf den Weg nach Hause. Etwa fünfzig Schritt weiter, als er in Bauer Malthorns Süßkartoffelfeld stand, entdeckte er, woher das Schnüffeln kam. Eine Kreatur lag ausgestreckt auf dem Weg; ihr Schwanz peitschte in dem Bewässerungsgraben auf der einen Seite, und ihr Gesicht sah ihn von der Mitte des Weges schieläugig an. Der Blick war berechnend, intelligent. Der Körper der Kreatur war aufgeschlitzt worden, als sie auf dem Boden gelandet war, und grünliche Flüssigkeit sickerte aus einer klaffenden Wunde an ihrer Seite. Das Gras unter ihrem Körper verwelkte und qualmte und starb.
Der Blick des Jungen traf den der Kreatur, die ihn aus geschlitzten schwarzen Pupillen mit einer goldenen Iris ansah. Sosehr er sich auch bemühte, sich aus dem Sog dieser berechnenden Augen zu lösen, es gelang ihm nicht. Seltsame Gedanken erfüllten seinen Kopf; Erinnerungen, jede einzelne unangenehm, in denen er auf die eine oder andere Weise in Schwierigkeiten steckte. Seine kleine Schwester, die er zugleich verabscheute und quälte und liebte, tauchte in seinen Erinnerungen am meisten auf, und gewöhnlich weinte sie. Es waren keine Erinnerungen, die er haben wollte, denn sie zeigten ausnahmslos Beispiele seiner eigenen Gemeinheit, und doch konnte er nicht verhindern, dass sie seinen Kopf erfüllten.
Er machte einen Schritt auf die Bestie zu, dann blieb er, verblüfft über sein eigenes Verhalten, stehen. Und dann machte er einen weiteren Schritt, als würde er zu ihr hingezogen werden, wie ein Sklave an einer unsichtbaren Kette. Er wusste, dass er fliehen sollte. Das war der schreckliche Teil; er wusste, dass die Kreatur ihn töten würde, und doch konnte er nicht stehen bleiben. Er wusste sogar, was sie war, auch wenn er ein ähnliches Wesen noch nie zuvor gesehen hatte: Es war ein Ungeheuer der Verheerung. Sie sollten eigentlich nicht in der Lage sein, die Illusion zu verlassen, und doch war eines hier, im Tal, und es würde ihn in wenigen Augenblicken töten.
Er konnte nicht weglaufen. Konnte nicht einmal schreien. Er machte einen weiteren Schritt auf die Bestie zu, während es ihm kalt den Rücken hinunterlief. Er machte noch einen Schritt, und noch einen. Kam ihr näher. Die Bestie lächelte und schlug peitschend mit dem Schwanz.
Und dann erzitterte sie, und weitere Flüssigkeit ergoss sich in einem plötzlichen Schwall aus ihrer Wunde, sammelte sich im Bewässerungsgraben wie stehendes Sumpfwasser. Die Kreatur stöhnte– und starb.
Als sein Vater einige Zeit später nach ihm suchte, fand er seinen Sohn vor Entsetzen zitternd auf dem Weg liegen, unfähig zu sprechen. Das Ungeheuer verrottete bereits.
8
Ein halber Monat verging, ehe Tarran wieder in Arrants Geist auftauchte, eine Zeitspanne, die aus einer verwirrenden Mischung aus Einsamkeit und erwachenden Freundschaften bestand, und auch aus Verzweiflung über sein Versagen und Freude an seinen gelegentlichen Erfolgen.
Er hatte einen wundervollen Tag damit verbracht, mit
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