Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
tauschten ein Grinsen aus.
» Wäre es in Ordnung, wenn ich in die Stadt gehe?«, fragte Arrant. » Baumeister Barret hat mir eine Einladung geschickt, dass ich mir an meinem nächsten freien Tag das Abwassersystem ansehen kann. Ich vermute, die Stadträte müssen ihm gesagt haben, dass ich mich dafür interessiere.«
Temellin wirkte verblüfft. » Nun, es ist ein seltsamer Wunsch, aber mach ruhig. Sag Eris Bescheid, wann du gehen wirst, und er wird eine Wache zusammenstellen, die dich begleitet. Ich würde es bevorzugen, wenn du nicht allein gehst. Wenn du mit den anderen Schülern ausgehen willst, ist das auch in Ordnung. Sie gehen oft zum See, um Dopplhoppl zu üben, und ich bin sicher, dass du das auch probieren willst. Achte nur darauf, dass du niemals allein bist.«
Arrant nickte; es gefiel ihm, dass Temellin ihm so weit vertraute, dass er nicht glaubte, er würde nicht gehorchen. » Wieso sollte mir Firgan etwas antun? Ich meine, was ist mit unserem Abkommen mit den Illusionierern? Ein Missbrauch der Macht würde bedeuten, dass es keine Illusionisten-Schwerter mehr gibt und in der Folge auch keine Cabochone und somit keine Magormacht. Ein solches Risiko würde doch sicher kein Magor eingehen.«
» Was ist, wenn er sich nicht darum kümmert, was nach ihm passiert?« Temellin schüttelte den Kopf, als könnte er selbst auch nicht ganz glauben, dass so etwas passieren würde. » Ich bin nicht überzeugt davon, dass es Firgan kümmert. Arrant, ich bitte dich ganz dringend: Tu alles Menschenmögliche, um als Illusionisten-Erbe bestätigt zu werden.«
Als Arrant später in der Nacht auf seiner Pritsche lag, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und durch die geöffneten Läden nach draußen zu den strahlenden Punkten am Nachthimmel hinaufsah, dachte er noch einmal über das Gespräch nach. Ein Schrecken wogte durch ihn hindurch, denn er wusste etwas, das Temellin nicht wusste. Etwas, das Tarran ihm gesagt hatte. Wir haben vielleicht nicht mehr viel Zeit, hatte Tarran in Tyr zu ihm gesagt. Komm nach Hause.
Wenn Firgan dies klar werden sollte, würde ihn dann noch irgendetwas davon abhalten, das Abkommen zu brechen und sich so tadelnswert zu verhalten, wie es ihm gefiel, wenn er eines Tages der Illusionist sein würde? Schließlich wären die Auswirkungen vermutlich in etwa die gleichen wie in dem Fall, dass die Illusionierer starben. Arrant erinnerte sich an den bewusst schmerzhaften Handschlag des Mannes. Er erinnerte sich an die Bösartigkeit. Mit seinen Kräften und der Hilfe einiger weniger ähnlich gesinnter Magori konnte Firgan den hart errungenen Frieden innerhalb der Nation zerstören und Kardiastan zu seiner persönlichen Arena der Grausamkeit und eigenmächtigen Gewaltherrschaft machen.
Leichter Wind kräuselte die Oberfläche des Sees im Tal, aber das war es nicht, was den Jungen hatte zusammenzucken lassen, der am Ufer fischte. Es war der Geruch, der mit der Brise übers Wasser kam, ein Gestank nach Fäulnis, als wäre irgendwo da draußen eine ganze Herde von Tieren gestorben und zum Verwesen liegengelassen worden. Der Junge keuchte, so heftig war der Gestank. Er brannte in der Nase und kratzte in seinem Rachen und seiner Kehle, und er versengte seine Haut wie eine Flamme. Der Junge sah auf und bemerkte eine Staubwolke, die auf ihn zuhielt. Sie wogte über die zerklüfteten Ränder des Kamms der ersten Strebe und strömte wie dicke Suppe ins Tal hinunter.
» Illusionslose Seele«, dachte er, » was geht da vor?«
Er zog seine Angelschnur ein und warf alles durcheinander in die Angeltasche, darunter auch zwei noch nicht gesäuberte Forellen. Er eilte am Seeufer entlang nach Hause, tastete im Laufen an den Bändern seiner Tasche herum.
Die Wolke überholte ihn, während er durch Kallards Gemüsehof raste. Eine Wand, eine sich bewegende Wand, die so dicht war, dass sie fest aussah… Im letzten Moment hörte er auf zu laufen, denn er wusste, dass er eingeschlossen werden würde. Stattdessen drehte er sich um und stellte sich dem Wind entgegen, als wollte er ihm trotzen, und sah, wie ihn etwas aus der Wolke heraus finster anstarrte. Ein Gesicht. Ein Ding, wie man es in den schlimmsten Alpträumen sah, nur dass das hier lebendig war. Wirklich. Er hörte die Wut des Wesens trotz des tosenden Windes. Er sah seine hungrigen Augen, die Fänge mit den gezackten Rändern und dem tropfenden Speichel. Es heulte. Es fuhr mit den Krallen durch die Luft.
Der Junge fluchte, und er geriet in Panik. Und dann
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