Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
dem Baumeister das Abwassersystem von Madrinya zu erkunden und die Pläne für ein neues System zu besprechen. In Tyrans wurde mit Stein und Marmor gebaut; in Madrinya benutzte man sonnengebrannte Lehmziegel, die mit Riedstreifen verstärkt waren, und daher führten sie eine lange Unterhaltung darüber, wie die unterschiedlichen Materialien die Bautechniken beeinflussten. Auf dem Weg zurück durch die Stadt, bei dem die Wachen ihm in ein paar Schritt Abstand folgten, hatte er die Straßen mit anderen Augen betrachtet. Er begann, die Schlichtheit der Gebäude zu lieben, seit er bemerkt hatte, wie oft sich ihre Strenge geschickt mit der Schönheit kleinerer äußerer Details mischte, etwa mit einem herrlich fruchtbaren Garten oder dem Muster eines mit Achatfliesen belegten Wegs, mit den Intarsienarbeiten aus dekorativen Steinen auf einer Balustrade oder den Schnitzereien eines Fensterladens.
Er hatte auch seinen ersten Versuch beim Dopplhoppl genossen. Seine Halskette war so warm gewesen, dass sie ihm fast den Hals verbrannt hatte, und er vermutete, dass die Magie der Runen eine wesentliche Rolle bei der Mitarbeit des Sleczs gespielt hatte– ganz besonders im Hinblick auf die Bereitwilligkeit des Tiers, seinen Fressarm genau in dem Moment auszustrecken, als er aufstieg. Er empfand eine größere Übereinstimmung mit den Sleczs als mit Pferden, und da das Abpassen des richtigen Augenblicks so wichtig war, wenn man auf ein sich bewegendes Tier aufsteigen wollte, erwies sich diese Verbindung als unschätzbar wertvoll.
Als er das Slecz, das er sich aus den Ställen des Illusionisten ausgeliehen hatte, wieder zum Pavillon zurückbrachte, gesellte Serenelle sich zu ihm; sie heftete den Blick fest auf sein Gesicht. Er wölbte fragend eine Braue.
» Ich habe noch nie jemanden erlebt, der es gleich beim ersten Versuch geschafft hat, und schon gar nicht zweimal hintereinander«, sagte sie. » Hast du einfach nur Glück, Arrant Temellin, oder hast du geübt?«
Er zuckte mit den Schultern. » Ich verstehe mein Reittier. Mehr nicht.«
Sie runzelte die Stirn. » Da steckt mehr dahinter, oder? Mein dummer Bruder hat vielleicht mehr aufgehoben, als er tragen kann.« Und damit drehte sie sich um und ging weg, bevor er sie fragen konnte, was sie meinte. Oder welchen Bruder. Warnte sie ihn aus Freundlichkeit oder um ihm Angst einzujagen? Er hatte keine Ahnung. Sie war ihm ein Rätsel.
Seine Erfolge im Dopplhoppl wurden durch sein Versagen im Unterricht mit Ungar wieder wettgemacht und durch die Demütigungen in einigen der allgemeinen Klassen, als es ihm nicht gelang, wie angeordnet irgendeine Farbe in seinen Cabochon zu rufen. Noch schlimmer war, dass er mehrere nicht unterschriebene, in verschiedenen Handschriften verfasste Notizen bei seinen Sachen fand, die ihm seine Überheblichkeit ankreideten zu glauben, er könnte der Illusionisten-Erbe sein. Noch immer ging das geflüsterte Gerücht um, dass er eine Gefahr für andere Schüler sein könnte.
Sein erster Kampfunterricht bei Firgan verlief jedoch verhältnismäßig gut, auch wenn Firgan die anderen in der Klasse mehrmals unterschwellig darauf hinwies, wie fremdartig Arrants Kampfstil war. Er machte es schlau und scheinbar ohne jede Bösartigkeit– nur wusste Arrant, dass er es in der Absicht tat, ihn fremdartig wirken zu lassen, was ihn wiederum weniger geeignet als zukünftigen Illusionisten erscheinen ließ.
» Du musst es einfach überstehen«, sagte Temellin eines Abends beim Essen. » Beachte die Gerüchte und die Sticheleien nicht und verhalte dich so, dass du als wahrer Karde wahrgenommen wirst, dem unsere Interessen am Herzen liegen.« Er sagte ihm allerdings nicht, wie er es anstellen sollte, sich auch als wahrer Magoroth zu zeigen. Sie wussten beide, dass das erfolgreiche Beherrschen seines Cabochons ausschlaggebend für die Entscheidung war, ob er anerkannt wurde oder nicht, und genau das schaffte er einfach nicht.
» Ich werde unsere Reise zur Zitterödnis vorbereiten«, fügte Temellin hinzu. » Es wird Zeit, dass du dein Schwert bekommst.«
Als Arrant wenig später die Gemächer des Illusionisten verließ, versuchte er sich einzureden, dass sein Vater jetzt glücklicher mit ihm war. Ohne großen Erfolg. Temellin konnte sein Unbehagen oder seine Enttäuschung nicht ganz verbergen, und Arrant konnte es ihm nicht einmal verübeln. Sie hatten an diesem Abend nicht darüber gesprochen, aber es war da, wie ein Geschwür, das sich in seine Seele fraß: Arrant
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