Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
seiner Tochter spielerisch mit dem Finger. » Ich bin nicht von gestern, junge Dame.« Er sah über ihren Kopf hinweg Temellin an und grinste. » Und jetzt begrüße den Illusionisten-Erben.«
» Hallo, Magor«, sagte sie höflich.
» Hallo, Imaga.« Er streckte die linke Hand aus, und sie legten ihre Cabochone aneinander, ohne auch nur durch ein Blinzeln zu verraten, dass sie sich schon zuvor gesehen hatten.
» Setz dich, Arrant. Das Essen wird kalt. Und ich habe Neuigkeiten für dich.« Temellin reichte den Teller mit dem ungesäuerten Brot herum. » Wir haben beschlossen, dich morgen zur Zitterödnis mitzunehmen. Beim ersten Tageslicht.«
Arrants Herz tat in seiner Brust etwas, das einem Purzelbaum nahekam. Endlich– er würde den Sand betreten und sein Schwert erhalten, das Symbol der Männlichkeit bei den Magoroth. Er würde in den Sand gehen, würde einem Illusionierer gegenüberstehen und seinen Bruder zum ersten Mal sehen. Sein Herz pochte. » Oh! Gut«, sagte er einfach und wandte sich an Garis. » Kommst du auch mit?«
» Wir beide. Samia und ich. Sie quält mich damit, die Zitterödnis sehen zu dürfen, seit sie alt genug ist, um auf einem Slecz zu reiten, und das scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein. Wenn wir nach Hause Richtung Asufa wollen, müssen wir ohnehin eine Weile den gleichen gepflasterten Weg nehmen– bis zu dem Dreibrunnen-Wegehaus. Dort ist die Abzweigung zur Zitterödnis. Es wird die Reise zwar um ein paar Tage verlängern, wenn wir bis zur ersten Strebe gehen, aber sie hat ohnehin schon so viel Schulstoff verpasst…«
» Ich verspreche, dass ich alles nachholen werde«, sagte sie.
» Sprich nicht mit vollem Mund.«
Der Stich, den Arrant spürte, als er ihrem Wortgeplänkel lauschte, bohrte sich tief in seinen Geist, kehrte seine Erinnerungen um und schob Bedauern an die Oberfläche. Er wechselte einen Blick mit Temellin und wusste, dass sie beide das Gleiche dachten: » Das ist es, was wir verpasst haben, als wir nicht zusammen waren. Das ist es, was wir verpasst haben, weil wir nie eine richtige Familie waren.«
Er wachte kurz vor Anbruch der Dämmerung mit dem Gefühl auf, jemand hätte sein Zimmer betreten. Er schoss senkrecht hoch, und die Nackenhaare stellten sich ihm auf. Im schwachen Schimmer des Frühlichts, das durch die nie verschlossenen Fensterläden fiel, glaubte er, seinen Bruder in der offenen Tür stehen zu sehen.
Tarran!, rief er, und die überwältigende Freude und Erleichterung, die er empfand, waren ein derart intensives Vergnügen, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte. Und dann erwachte er richtig und begriff, dass niemand da war und auch niemand da gewesen war. Die Tür– die er in der Nacht zuvor nicht richtig geschlossen hatte– war von der durch das Fenster kommenden Brise aufgeweht worden. Sie schwang jetzt in der Stille der Nacht sanft in den Angeln hin und her.
Und einmal mehr brach die Erkenntnis über ihn herein, wie viel er weggeworfen hatte.
Oh Tarran, bitte komm zurück.
Er lag wach auf seiner Pritsche, bis Eris kam. Nachdem er sich gewaschen hatte, beäugte er misstrauisch die Kleidungsstücke, die für ihn auf dem Bett ausgelegt worden waren. » Sind sie nicht ein bisschen, na ja, ausgefallen?« Er hatte eigentlich sagen wollen » grell«, aber dann seine Meinung geändert, denn er wollte den Mann nicht beleidigen. Eris war ein ältlicher Nicht-Magori mit grauem Star, und er war unermüdlich bemüht, aus Arrant einen angemessenen Illusionisten-Erben zu machen. » Ich meine, wir gehen auf eine Reise und nicht zu einem Bankett oder so.«
» Es ist das, was dein Vater eigens für diese Reise hat anfertigen lassen, Magor.«
» Oh! Oh, na dann, natürlich.« Er fügte sich darein, einen Bolero in leuchtendem Scharlachrot mit einem dazu passenden Stoffgürtel zu tragen; ein elfenbeinweißes Hemd, das am Hals mit einer Schleife zugebunden wurde, und einen breitkrempigen Hut aus Slecz-Leder, der zu seinen Reitsandalen passte. Zumindest seine Hose war einigermaßen schlicht, wie auch der Umhang aus warmer Sleczwolle, der allerdings eine kunstvoll gearbeitete Messingschnalle besaß.
» Es liegt daran, dass du dein Schwert bekommst«, erklärte Eris. » Das ist ein ganz besonderes Ereignis im Leben eines jungen Mannes. Ein Grund zum Feiern. Ganz besonders für dich als Erben und so. Die Leute in der Stadt werden heute Morgen in den Straßen stehen, um dir zuzujubeln.«
Arrant war entsetzt. » Die Nicht-Magori? Das werden sie tun? Aber es
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