Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
fest, dass mir der Sonnenaufgang gefällt. Die Nacht ist zu dunkel– wenn ich wach bin, sehe ich nichts… Dann geht die Sonne auf, und ich sehe Licht. Meine Welt nimmt Gestalt an. Da draußen ist ein Atrium, nicht wahr? Ich kann das Wasser hören und spüre die Fische. Und dein Cabochon funktioniert heute Morgen. Ich kann seine Macht spüren. Was führt dich so früh hierher?«
» Ich muss mit dir reden. Es ist an der Zeit, dir von Tarran zu erzählen.«
» Ah. Du hast gesagt, er war nicht in der Zitterödnis.«
» Nein, war er auch nicht. Aber an dem Tag, als wir beide uns zum ersten Mal wiedergesehen haben, habe ich dir nicht die Wahrheit gesagt. Ich habe nicht richtig gelogen, aber es war auch nicht die Wahrheit. Das war falsch von mir.«
» Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich verstehe. Was hast du mir nicht gesagt?« Temellin drehte sich zu ihm um und deutete auf einen Stuhl in der Nähe.
» Alles.«
» Sprich.«
Arrant ging zu dem Stuhl und setzte sich. » Als wir in Ordensa waren und ich fünf war, hatte ich einen Traum von der Verheerung. Niemand hatte mir vorher etwas über die Verheerung erzählt, und doch habe ich geträumt, dass sie mich bedroht. Das war die Nacht, in der Tarran zum ersten Mal zu mir gekommen ist. Seither ist er immer wieder gekommen. Er ist auch jetzt in meinem Kopf.«
Temellin stand abrupt auf. » Ich glaube nicht, dass ich das hören will.«
Arrant achtete nicht darauf. » Ich habe mit den Illusionierern gesprochen, als ich in der Zitterödnis war. Unter anderem haben wir auch über Tarran und all das gesprochen, was wir einander im Laufe der Jahre bedeutet haben. Wenn ich ihn mir nur einbilden würde, hätten sie nicht davon wissen können, oder?«
Temellin tastete nach seinem Stuhl und setzte sich wieder. Er saß so still, dass er auch eine Marmorskulptur hätte sein können. Arrant wartete.
Es wird alles gut, sagte Tarran. Du wirst sehen. Er konnte die Aufregung nicht aus seiner Stimme heraushalten.
Süßer Hades, weißt du eigentlich, wie schwer das ist?, fragte Arrant. Er fragt sich gerade, ob ich mondverrückt bin.
Als Temellin wieder sprach, klang seine Stimme so sachlich, dass nichts darin Arrants Besorgnis zu lindern vermochte. » Fang ganz von vorn an und erzähle mir alles.«
Arrant begann zu erzählen, suchte nach Worten, die nicht so leicht kommen zu wollen schienen. Er erzählte ihm alles, was er wusste, nicht nur über Tarran, sondern auch über seine Träume von der Verheerung. Er konnte den Zweifel seines Vaters nicht spüren, aber er war sicher, dass er da war. Sein Schmerz darüber, wie ungläubig Temellin damals gewesen war, wie Ligea seinen eingebildeten Spielkameraden abgelehnt hatte, stieg von ganz allein in ihm auf, und er spürte alles noch einmal, frisch und demütigend. Doch er machte hartnäckig weiter.
Als er am Ende seines gequälten Vortrags angekommen war, fügte er hinzu: » Du kannst spüren, dass ich die Wahrheit sage.«
» Ich kann spüren, wenn man mich absichtlich anlügt, aber ich kann nicht spüren, ob eine Aussage absolut wahr ist. Das ist ein Unterschied. Alles, was ich sagen kann, ist, dass du an die Wahrheit dessen, was du sagst, glaubst. Die Frage ist, ob du getäuscht worden bist.«
» Wie der Verrückte beim Wegehaus im Graben? Der, der Stimmen im Kopf hört?«
» Ja.«
Blinde Augen starrten ihn an, und Arrant starrte zurück. Sie hielten beide ihren Schmerz eingekapselt, machten ihn für den anderen unleserlich. » Also, was wirst du glauben?«, fragte Arrant. » Dass ich den Verstand verloren habe?«
Tarran unterbrach ihn. Du kannst manchmal wirklich ein echtes Slecz-Arschloch sein, Arrant. Willst du einen Idioten zum Vater, der jede verrückte Geschichte glaubt, ohne darüber nachzudenken? Er ist ein Herrscher, bei der Illusion! Er muss skeptisch sein.
Arrant errötete über die brüderliche Empörung und beeilte sich hinzuzufügen: » Wir können es beweisen.«
» Wir?«
» Tarran und ich.«
» Wie?«
» Frag Tarran– durch mich– etwas über dein Leben in der Illusion. Etwas, das nur ein Illusionierer wissen kann, das ich auch unmöglich von jemand anderem erfahren haben kann. Tarran ist Teil der Illusionierer und verfügt über ihre Erinnerungen.«
Temellin schwieg einen Moment und sagte dann: » Als ich etwa acht war, hatte ich ein geheimes Versteck…«
Er hat seine Steine vom Hüpfspiel unter einem lockeren Stein auf seinem Fensterbrett versteckt, weil Korden sie sich unter den Nagel reißen
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