Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
würde. Er war beliebt; viel, viel beliebter als Korden oder Firgan. Er hatte sich als weiser Herrscher erwiesen, oder zumindest glaubte er, dass er das getan hatte. Seine Strategien hatten Kardiastan von der tyranischen Herrschaft befreit.
Abgesehen davon wäre es schrecklich, einen herrschenden Illusionisten zum Rücktritt aufzufordern. Er würde entweder sterben oder das Land verlassen und weit genug weggehen müssen, damit die Illusionierer ihn für tot hielten, wie es bei Sarana als Kind der Fall gewesen war. Falls die Magori ihn baten, seine Position aufzugeben, könnte er ihnen vielleicht mit der Idee drohen, dass Sarana die nächste Illusionistin werden würde. Er lächelte in sich hinein. Nein, niemand würde so etwas von ihm verlangen.
Dennoch wollte er nicht, dass der Rat wusste, wie schwer geschädigt sein Augenlicht war. Er dachte eine Weile nach und rief dann Hellesia zu sich herein. Sie kam sofort, was er gewusst hatte. Seit er zurückgekommen war, blieb sie in Hörweite, schlief sogar auf einer Pritsche in dem Zimmer gegenüber von seinem Schlafzimmer, obwohl er versichert hatte, dass dies nicht nötig war.
» Ja, Magor?«
» Ist da draußen auf dem Zweig ein Vogel?«
Sie sah durch das unverschlossene Fenster. » Ja, einer von diesen nervtötenden Mellos. Sie haben verheerende Schäden bei den Feigen angerichtet, diese verfluchten Vögel! Oh! Kannst du ihn sehen ?«
» Nein, nein. Aber ich merke, dass er da ist. Was mich auf eine Idee bringt. Du hast mir vorhin gesagt, dass Jahan und Jessah darauf warten, mich zu sehen?«
» Zusammen mit dem halben Magoroth-Rat, dem Stadtmeister von Madrinya und der Hälfte seiner Stadträte, deinem Sohn, dem Leiter der…«
» Schon gut, schon gut. Ich habe verstanden. Geh und hole jetzt Jahan und Jessah. Und Arrant. Sag den anderen, dass sie heute Nachmittag wiederkommen sollen.« Ihre Enttäuschung war offensichtlich; sie hatte einen Moment lang gedacht, dass seine Sehfähigkeit sich verbessert hatte, aber er hatte diese Hoffnung zunichte gemacht. Er hätte am liebsten geweint.
Als sie mit den dreien zurückkehrte, bat er sie zu bleiben. Während Jahan und Jessah all das sagten, was man zu jemandem sagen konnte, der so plötzlich sein Augenlicht verloren hatte, versuchte er, sich an ihre Gesichter zu erinnern, an die Art und Weise, wie sie lachten, an Jessahs Eigenart, ihren Kopf zur Seite zu neigen, wenn sie lauschte, an Jahans Angewohnheit, mit dem Daumen seitlich an seiner Nase zu reiben, bevor er sprach. Temellin musste sich erinnern, denn er würde sie nie wieder sehen. Sie waren Bruder und Schwester genauso wie Mann und Frau, ein großes Paar mit honigfarbener Haut, sich nicht nur vom Aussehen her ähnlich, sondern auch von ihrer Persönlichkeit. Eher ruhig und nachdenklich als brillant, eher störrisch und beharrlich als kühn. Temellin schätzte sie vor allem wegen ihrer guten Ratschläge und ihrer unerschütterlichen Loyalität. Jessahs schlimmster Charakterzug war, dass sie nörgelte, Jahans, dass es ihm an Initiative mangelte. Abgesehen von Garis waren sie seine engsten Freunde, und im Magoroth-Rat waren sie diejenigen, denen er am meisten vertraute.
» Ich werde sie nie alt werden sehen«, dachte er. » Niemanden von ihnen. Nicht einmal Arrant. Ich werde nie sehen, wie er als Mann aussieht. Wie seltsam!«
Wie traurig.
» Jahan, Jessah, ich muss mich bei euch dafür entschuldigen, dass ich euch warten ließ«, fing er an und vergrub seine Not so tief, dass sie sie nicht spüren konnten. » Tatsächlich wusste ich nicht, was ich sagen sollte, denn die Wahrheit ist so schlimm, wie sie nur sein kann. Fangen wir mit dem Persönlichen an. Ich bin blind. Ich versuche allerdings, bei allen den Eindruck zu erwecken, dass mein rechtes Auge noch über eine beachtliche Restsehfähigkeit verfügt. Es stimmt nicht. Ich kann Hell und Dunkel unterscheiden. Und ich kann Bewegungen erkennen, zumindest von Menschen und etwas Größerem, aber das ist auch alles.«
Jahans und Jessahs Schock hing scharf in der Luft. Arrant konnte er überhaupt nicht spüren. Er sprach weiter. » Wieso tue ich so, als stünde es besser um mich? Weil Kardiastan einen Führer braucht, zu dem die Menschen Vertrauen haben. Und auch die Magori. Ich möchte nicht, dass die Leute denken, ich könnte meine Arbeit nicht mehr machen. Und bei dieser… äh… Manipulation der Wahrheit brauche ich eure Hilfe.«
Niemand sagte etwas, aber er spürte ihre vorsichtige Zustimmung, also sprach er
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