Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
moselabwärts nach Norden zogen. Kaltblütig knüpftet Ihr für Albero eine Schlinge, für die Ihr unzählige Trierer zu opfern bereit wart und die sich nur durch die zufällige Beobachtung Ansgars nicht vollends zuzog. Den Späher habt Ihr später mit einem Pfeil erledigt, Gangolf brachtet Ihr mit Geld zum Schweigen. Nun aber ist Euer Spiel ein für alle Mal aus. Noch jemanden gibt es nämlich, der Eure Schandtat bezeugen kann. Den bringt Ihr nicht zum Schweigen!«
Aus dem Augenwinkel streifte Laetitias Blick Sebastian. Hatte ihre Stimme fest geklungen? Auch er wusste, dass es in Wirklichkeit niemanden gab, der bestätigen konnte, dass Wilhelm die Worte des Spähers ins Gegenteil verkehrt hatte. Dafür, dass er sich das Messer und eine Blase mit Blut für den Mord an Brigitta besorgt hatte, konnte ein Knecht in der Küche bürgen. Ebenso dafür, dass er immer das Pulver aus dem roten Fingerhut bei sich trug. Aber wenn er auf die Lüge über die Existenz eines vermeintlichen Zeugen nicht hereinfiel, war alles umsonst: Auch wenn Laetitia die feste Überzeugung durchdrang, dass ihre Anschuldigung den Tatsachen entsprach, würde sie keinem Windhauch standhalten.
Auf Balderichs Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Ekel und Furcht. »Wollt Ihr Euch nicht zu den Vorwürfen äußern, Wilhelm?«
Für Sekunden war es, als hielte die Zeit den Atem an. Dann geschah es: Mit einem heiseren Wimmern sank Wilhelm in sich zusammen, während die schäumende Wut der Menge sich über ihn ergoss.
Kapitel 18
Eigentlich hatte sie sich diesen Tag ganz anders vorgestellt. Einen Mantel der Ergriffenheit, der sich über die Stadt ausbreiten würde, hatte sie erwartet. Ganz Trier würde sich in schweigender Ehrfurcht vor Papst Eugen verneigen, hatte sie gedacht. Stattdessen fand sich Laetitia wie auf einem Jahrmarkt hin und hergeschoben mitten in einem farbigen Gemenge jubelnder Menschen wieder, die vor Begeisterung über den glänzenden Prunk vollkommen außer sich gerieten. Um ein Haar hätte sie Karolina in dem Gewühle verloren, doch zum Glück konnte sie gerade noch ihre rechte Hand fassen. Dann erreichten beide Frauen endlich einen Mauervorsprung, der einigermaßen gute Sicht versprach und gleichzeitig vor dem Gedränge der Leute schützte. Da näherte sich auch schon das Herzstück der effektvoll inszenierten Prozession, die durch das Neutor mit dem eigens angefertigten Tympanon näherkam.
»Der Papst scheint sich genauso gut auf das Erzielen von Wirkung zu verstehen wie Albero. Wie klug er den Zeitpunkt für sein Eintreffen in Trier gewählt hat!«, zischte Karolina ihr zu und ihre Augen unter den buschigen Brauen blitzten. Laetitia fiel nicht schwer zu begreifen, was die Nonne meinte.
Ad te levavi. Man schrieb den 30. Tag des Monats November und beging den ersten Adventssonntag, an dem wie üblich das Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem gelesen wurde. Wohl kaum einem Trierer konnte die Parallele zu diesem denkwürdigen biblischen Ereignis entgehen. Schon allein die symbolische Anlehnung an die Heilige Schrift machte den heutigen Tag unvergesslich.
Sogar Margund hatte sich unter die Schaulustigen gewagt. Noch immer waren ihre Wangen bleich und ihr Blick flatterte unruhig. Die durchlebte Angst hatte ihre Spuren hinterlassen, doch bestand auch Gewissheit darüber, dass ihr niemand etwas zuleide tun durfte. Dafür hatte nicht zuletzt Balderich gesorgt, als er am Tag des Schuldspruchs über Wilhelm die zu Unrecht verdächtigte Margund unter seinen Schutz stellte. Auch wenn das einigen Bürgern, die sie und ihre Glaubensbrüder am liebsten aus der Stadt vertrieben hätten, übel aufstieß. Ändern konnten sie an der Verfügung nichts. Und darauf allein kam es an. Mit einem schüchternen Lächeln, das sich über ihr Gesicht ausbreitete, als sie Laetitia und Karolina erblickte, winkte Margund den beiden vom gegenüberliegenden Straßenrand aus zu.
Laetitia überkam eine Woge der Freude darüber, dass sie der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen hatte. So viele Menschen drückten seitdem ihre Dankbarkeit aus, unzählige Hände schüttelten die ihre und in jedem Winkel der Stadt begegneten ihr zustimmend grüßende Augenpaare. Weniger, weil mit Margund eine Unschuldige vom Verdacht des Mordes freigekommen war, sondern weil sie – die Fremde – den unfassbaren Verrat während der Maximiner Fehde aufgedeckt hatte.
Wie eine nicht heilende Wunde schwärte schon seit Jahren ganz geheim ein finsterer Verdacht auf einen möglichen
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