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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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letzte Ehre. Jeder hatte seine Erinnerungen, jeder trauerte. Aber nur zwei ergriffen das Wort.

    Als die Kerzen heruntergebrannt waren, stand Richmond auf und steckte sein Schwert wieder in die Scheide.
    »Ich verpflichte mich dir und deinem Gedenken mit Leib und Seele. Ich bin dein, wenn du mich aus dem Jenseits hinter den Schleiern des Todes rufst. Wann immer du deine Stimme erhebst, ich werde dir folgen. Solange ich atme, soll dieses Versprechen gelten.« Die letzten Worte kamen nur noch als bitteres Flüstern heraus. »Ich war nicht da, als ich gebraucht wurde. Es tut mir leid.« Er blickte zum Unbekannten, der nickte und an den Tisch trat, um ihn einmal zu umrunden. Beginnend mit Ras’ Kopf löschte er nacheinander die Kerzen.
    »Im Norden, im Osten, im Süden und im Westen. Auch wenn du fort bist, wirst du immer zum Raben gehören, und wir werden dich nie vergessen. Die Götter sollen lächelnd auf deine Seele herabschauen. Gut soll es dir ergehen bei allem, was dir jetzt und in der Ewigkeit noch begegnen mag.«
    Schweigend blieben die Männer noch eine Weile in der Dunkelheit stehen.
     
    Denser war in Serans Gemächern geblieben. Der tote Magier war, mit einem Laken bedeckt, auf seinem Bett aufgebahrt. Denser konnte nicht begreifen, warum er selbst noch am Leben war, doch er war dankbar dafür. Ganz Balaia sollte dankbar sein, doch keine Stadt war dankbarer als Xetesk, dass der Barbar aufgehalten worden war.
    Die Katze schmiegte sich an seine Beine. Denser ließ sich an einer Wand hinabsinken und setzte sich auf den Boden.
    »Ich frage mich, ob es wirklich das Richtige ist«, sagte der Magier, der das Amulett immer und immer wieder in den Händen drehte. »Ich glaube, es ist das Richtige, aber ich
muss es genau wissen.« Die Katze sah ihm in die Augen, hatte aber keine Meinung dazu. »Die Frage ist allerdings, ob wir die Kraft dazu haben.« Die Katze sprang in seinen Mantel und schmiegte sich an Densers warmen Körper.
    Sie nährte sich.
    »Ja«, sagte Denser. »Ja, wir haben die Kraft.« Er schloss die Augen und spürte, wie sich das Mana um ihn sammelte. Es war ein schwieriges Unterfangen, doch er musste Gewissheit haben. Über eine solche Entfernung eine Kommunion zu halten, war anstrengend für Geist und Körper. Wissen und Ruhm kosten stets ihren Preis, sofern sie überhaupt kommen wollen.
     
    Sie beerdigten Ras außerhalb der Burgmauern und markierten das Gelände mit dem Zeichen des Raben – ein einfacher Umriss vom Kopf des Vogels, das Auge vergrößert und der Flügel über den Kopf gereckt.
    Alle außer Richmond verließen müde und hungrig die Grabstätte. Der einsame Krieger, der in der windigen, mondlosen Nacht auf der klammen Erde kniete, wollte bis zur Morgendämmerung Nachtwache halten.
    Als sie in der großen Küche am Tisch saßen, erzählte Ilkar Talan, was sie hinter der Dimensionstür erlebt hatten. Erst jetzt begann Hirad zu zittern.
    Er nahm seinen Becher mit Kaffee vom Tisch und starrte ihn an; seine Hände zuckten, bis die Flüssigkeit über den Rand schwappte.
    »Geht es dir nicht gut?«, fragte Sirendor.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Hirad. »Irgendwie nicht.« Er hob den Becher an die Lippen, doch er schaffte es nicht, auch nur einen Schluck zu trinken. Der Kaffee rann am Kinn hinunter. Das Herz pochte heftig in seiner Brust, er spürte den Puls sogar noch am Hals. Schweißtropfen bildeten
sich auf seiner Stirn, und die Achselhöhlen wurden feucht. Bilder von Sha-Kaans Kopf kamen ihm in den Sinn. Er sah diese Bilder und das Feuer, das ihn ringsum einhüllte. Er konnte wieder die Hitze spüren, und seine Hände zitterten stärker. Er ließ den Becher fallen.
    »Bei den Göttern, Hirad, was ist denn nur los?«, fragte Sirendor beunruhigt. Der Barbar lächelte gezwungen. Er sah sicher so verstört aus, wie er sich fühlte. »Du musst dich hinlegen.«
    »Lass mir ein wenig Zeit«, sagte Hirad. »Ich glaube, meine Beine können mich im Augenblick sowieso nicht tragen.« Er sah sich am Tisch um. Alle starrten ihn jetzt an, die Speisen waren vergessen. Er zuckte mit den Achseln. »Ich habe noch nicht einmal geglaubt, dass sie überhaupt existieren«, erklärte er. »So groß war er. Riesig. Und direkt vor mir.« Er hielt die bebende Hand vor sein Gesicht. »So übermächtig. Ich kann doch nicht …« Er unterbrach sich, und ein Schaudern lief durch seinen ganzen Körper. Teller und Besteck auf dem Tisch klapperten. Tränen trübten sein Auge, und er spürte, wie sein Herz noch

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