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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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schneller schlug. Er schluckte schwer.
    »Was hat er überhaupt gesagt?«, wollte Ilkar wissen.
    »Es war so laut. Es hat in meinem Kopf gedonnert«, sagte Hirad. »Er hat über Dimensionen und Portale gesprochen und wollte wissen, was ich dort tat. Ha, ist das nicht komisch? Er war so riesig und wollte wissen, was ich tat. Ich. Ich bin so klein, und er sagte, ich sei stark.« Wieder schauderte er. »Er sagte, er werde mich wiedererkennen. Mein Leben lag in seiner Hand. Er hätte mich mühelos zerquetschen können. Mich auslöschen. Warum hat er es nicht getan? Ich wünschte, ich könnte mich an alles erinnern.«
    »Hirad, du stammelst ja nur noch«, sagte Sirendor. »Ich glaube, wir sollten uns das alles für eine andere Gelegenheit aufheben.«

    »Es tut mir leid, aber ich glaube, ich muss mich jetzt hinlegen. Kannst du mir helfen?«
    »Aber sicher doch, alter Freund.« Sirendor lächelte. Er schob die Bank zurück und half Hirad auf die wackligen Beine.
    »Bei den Göttern, ich fühle mich, als sei ich eine ganze Woche lang krank gewesen.«
    »Oh, du bist schon dein ganzes Leben lang krank.«
    »Ach, hau doch ab, Larn.«
    »Würde ich ja gerne, aber wenn ich dich loslasse, fällst du um.«
    »Er soll reichlich heiße und süße Getränke zu sich nehmen«, riet der Unbekannte, als die Freunde an ihm vorbeischlurften. »Aber nichts Alkoholisches.«
    »Ist der Xetesk-Magier eigentlich noch da?«, fragte Hirad. Der Unbekannte nickte.
    »Er ist in Serans Gemächern«, ergänzte Ilkar. »Er schläft. Das ist auch kein Wunder nach all den Sprüchen, die er heute gewirkt hat. Er darf erst gehen, wenn ich mit ihm gesprochen habe.«
    »Du hättest mich ihn töten lassen sollen.«
    Der Unbekannte lächelte. »Du weißt doch, dass ich das nicht zulassen konnte.«
    »Ja. Nun komm schon, Larn, sonst breche ich noch hier an Ort und Stelle zusammen.«
     
    Die beiden Männer saßen auf niedrigen Stühlen links und rechts vor einem Kamin, dessen Feuer schon lange erloschen war. Die Nacht eilte herbei, ihre Decke über die Kolleg-Stadt Xetesk zu legen, und ihr zum Trotz flammten Laternen auf, vertrieben die Dunkelheit und beleuchteten die überladenen Bücherregale, die an allen Wänden des kleinen Arbeitszimmers aufgestellt waren. Auf dem peinlich in
Ordnung gehaltenen Schreibtisch brannte eine einsame Kerze auf einem Stapel von Blättern, die verschnürt und ordentlich betitelt waren.
    Tief unterhalb des Arbeitszimmers kehrte Ruhe im Kolleg ein. Späte Vorlesungen fanden hinter verschlossenen Türen statt; in den gepanzerten Kammern der Katakomben wurden Sprüche vervollkommnet und weiterentwickelt. Draußen regte sich kein Lüftchen.
    Jenseits der Mauern des Kollegs regte sich noch Leben in Xetesk, doch sobald die Nacht wirklich angebrochen war, würde es auch dort still werden. Die Stadt existierte nur, um dem Kolleg zu dienen, und das Kolleg hatte schon früher einen hohen Preis für seine bloße Existenz verlangt. Gasthöfe versperrten die Türen, Gäste mussten bis zum Morgengrauen bleiben, Geschäfte und Läden, die direkt oder indirekt vom Kolleg lebten, verrammelten die Fenster. Kein Licht drang aus den Häusern, kein Gast war hier willkommen.
    Allerdings kamen die Protektoren nicht mehr aus dem Kolleg, um sich Versuchskaninchen für ihre Experimente zu schnappen. Die Magier von Xetesk benutzten nicht mehr ihr eigenes Volk als Opfer bei Zeremonien, um die Mana-Ladung zu erhöhen. Doch die alten Ängste hielten sich hartnäckig, und die Gerüchte schwirrten nach wie vor durch die Märkte, die bei Tage belebt und in der Nacht gespenstisch still waren.
    Als die Dunkelheit kam, drang ein unheildrohendes Schweigen wie eine klebrige Wolke der Angst und Sorge aus dem Kolleg nach draußen, als sei eine Nebelwand vom Meer her über den Ort gezogen. Unzählige Jahre voller blutiger Rituale ließen sich nicht einfach verleugnen. Die Herzen verkrampften sich immer noch ängstlich, wenn bei Dunkelheit in der Ferne Holz splitterte, und die Rufe
der Menschen verstummten verzagt, wenn Schritte vor versperrten Türen zögerten. Die Angst rann durch die Adern der Menschen in Xetesk, und die dunklen Ahnungen schwanden erst, wenn am Morgen der Himmel wieder hell wurde.
    So war die Arbeit der Stadtwache nicht schwer. In der Dämmerung versperrte sie die Tore der einzigen voll befestigten Stadt in Balaia und patrouillierte auf leeren Straßen. Seit Jahrhunderten ging die Angst um in den leeren Gassen. Doch sie war ein Vermächtnis der

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