Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
Manakäfig sitzen, sind kompliziert. Sie stehen für dieses Vierteljahr kurz vor dem Abschluss. Es gab Verzögerungen,
weil in dem Bereich des interdimensionalen Raumes, in dem sich der Käfig befindet, ungewöhnlich starke Aktivitäten zu verzeichnen waren.«
»Wann haben wir die Antwort?« Styliann zog an einem bestickten Band neben dem Kamin.
»In den nächsten paar Stunden. Spätestens in einem Tag.« Nyer zuckte verlegen mit den Achseln.
»Ihr wisst doch, dass es nur eine Frage der Zeit ist, nicht wahr?«
»Mein Lord?«
»Die Beweise sind alle da.« Styliann seufzte. »Die Vereinigung der Wesmen-Stämme, die Schamanen an der Spitze der Kriegertruppen, die Heere, die im Südwesten zusammengezogen werden …«
»Müssen es denn die Wytchlords sein?«
»Ihr wollt doch nicht wirklich eine Antwort auf diese Frage, oder?« Styliann lächelte, und Nyer schüttelte den Kopf. Es klopfte an der Tür.
»Herein!«, rief Styliann. Ein junger Mann trat ein. Er hatte kurzes rotes Haar und ein ängstlich angespanntes Gesicht.
»Mein Lord?«
»Mach Feuer und bringe mir noch eine Flasche von diesem eher durchschnittlichen Roten aus Denebre.«
»Sofort, mein Lord.« Der junge Mann ging wieder hinaus.
Die beiden erfahrenen Magier setzten ihre Unterhaltung nicht fort, sondern dachten, jeder für sich, über die Zukunft nach. Was sie sahen, gefiel ihnen nicht.
»Können wir sie denn dieses Mal aufhalten?«, fragte Nyer schließlich.
»Ich fürchte, da kommt es vor allem auf Euren Mann an«, erwiderte Styliann. »Mindestens so sehr wie auf den
genauen Zeitpunkt, zu dem die Wytchlords geflohen sind. Ich nehme doch an, dass er Bericht erstattet hat?«
»Das hat er getan, und wir haben jetzt das Amulett.«
»Hervorragend!« Styliann klatschte die Handflächen auf die Lehnen seines Stuhls und stand auf. Er trat ans Fenster und wagte kaum, die nächste Frage zu stellen. »Und?«
»Es ist Septerns Amulett. Wir kommen jetzt einen Schritt weiter, immer vorausgesetzt, wir finden die richtige Hilfe.«
Styliann atmete schwer, als er lächelnd aus seinem Turm hoch über dem Kolleg nach draußen schaute. Der Turm überragte das Kolleg, und der ringsum laufende Balkon erlaubte einen ungehinderten Blick auf die Stadt und die Umgebung. Die Nacht war kühl, aber trocken. Eine dünne Wolkendecke schob sich von Südosten heran und drohte die unzähligen Sterne, deren bleiches Licht die Dunkelheit durchbrach, zu verdecken. Der keineswegs unangenehme Geruch von brennendem Öl und die Hitze der Stadt wurden vom leichten Wind herangetragen. Hinter den Kolleg-Mauern herrschte tiefe Stille.
Stylianns Turm war von denen seiner sechs Magiermeister umgeben, doch der seine war höher als alle anderen. Wenn er hinunterblickte, konnte er auch in Laryons Turm Lampen brennen sehen. Der erst vor kurzem ernannte Meister musste nun in den inneren Kreis aufgenommen werden und den Bund der sieben Türme vervollständigen.
»Alles hängt jetzt davon ab«, meinte er.
»Laryon hat hart gearbeitet«, erklärte Nyer, der an seine Seite getreten war. »Er hat sich verdient gemacht.«
»Und Euer Mann? Wird er dafür sorgen, dass wir die notwendige Hilfe bekommen?«
»Ich bin in dieser Hinsicht äußerst zuversichtlich.«
Styliann nickte und blickte nach Xetesk hinaus. Er durfte darauf vertrauen, dass seine Leute jeden Befehl ohne
Murren ausführten. Der erste Schritt war erfolgreich getan, aber jetzt wurde der Weg schwieriger, und diejenigen, die zu viel wussten, mussten in seiner Nähe unter Kontrolle bleiben.
»Ich glaube, Nyer, wenn der Wein gebracht wird, können wir uns eine kleine Feier erlauben.«
3
Sie legte sich wieder aufs Bett. Das Pochen im Kopf jagte Wellen der Übelkeit durch ihren Körper. Sie schauderte und betete jedes Mal, dies möge der letzte Anfall von Übelkeit sein, doch sie wagte nicht zu hoffen, dass dem tatsächlich so war.
Jeder Muskel im Körper tat weh und verkrampfte sich vor Schmerz, alle Sehnen waren überdehnt. Die Haut spannte sich so straff auf der Brust, dass sie fürchtete, sie könne aufplatzen, wenn sie tief einatmete. Schon das flache, keuchende Schnaufen, wenn sie mühsam Luft in die gequälten Lungen sog, ließ sie wimmern. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen war, und sie wusste nicht zu sagen, wie lange die Symptome noch anhalten würden.
Doch die körperlichen Schmerzen waren nichts im Vergleich zu den Qualen im Herzen und in ihrer Seele, weil man ihre Söhne entführt hatte. Ihren
Weitere Kostenlose Bücher