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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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sonderlich ähnlich, wie der Xeteskianer weiter erklärte.
    Ilkar kam sie vor wie eine Totenmaske, und das war ein recht zutreffender Eindruck. Wieder schauderte er, als er, ohne das Bild bewusst gerufen zu haben, noch einmal die Maske vor seinem inneren Auge sah. Die Protektoren waren im Grunde lebende Tote. Männer, die von Geburt an dem Berg von Xetesk geweiht waren und dorthin zurückgerufen wurden, wenn sie starben. Solange die Seele erhalten blieb, konnte der Körper neu erschaffen werden. Es war eine schreckliche Hinterlassenschaft aus der Vergangenheit, nachdem die Xeteskianer über Jahrhunderte hinweg die Lebenden und Toten für ihre Zwecke missbraucht hatten. Diese Unsitte sollte verboten werden, doch das Dunkle Kolleg weigerte sich, eine seiner mächtigsten Errungenschaften einfach aufzugeben.
    Ilkar konnte nur ahnen, was der wiederbelebte Körper und die Seele durchmachen mussten. Er würde es niemals erfahren, denn die Protektoren waren durch ein Schweigegelübde gebunden und sprachen nur, wenn ihre Aufgaben es erforderten. Dieses Gelübde zu brechen, so hieß es in der xeteskianischen Überlieferung, sollte »ewigliche Qualen im Berg nach sich ziehen, neben denen die Qualen der gepeinigten Seele in der Hölle als Wohltat, Erbauung und
Beschaulichkeit erscheinen müssen«. Aus derselben Überlieferung ging hervor, dass »niemals mehr das Licht oder eines lebenden Menschen Auge ihr Antlitz erblicken darf. Und sie sollen auch nicht reden, solange nicht das Leben ihrer Gebieter durch Schweigen in Gefahr gerät«.
    Einzeln eingesetzt, waren die Protektoren äußerst loyale Leibwächter, da sie wussten, welche Qualen jede Zwietracht nach sich ziehen musste. Der wahre Grund für ihre Erschaffung war jedoch die Tatsache, dass eine Armee von Protektoren synchron und mit derartiger Kraft zu kämpfen vermochte, dass sie nur noch durch reine Magie aufzuhalten war. Und selbst dies war nicht sicher. Die Protektoren wurden bei ihrer Erschaffung mit einer inneren Abwehr gegen die Magie ausgestattet. Sie waren wahrhaft schaurige Gegner.
    Sol würde von nun an Densers stummer Schatten sein und den Magier begleiten, wohin er auch ging, und der Schatten, den er warf, war in der Tat ein recht großer. Er war ein beeindruckender Mann. Größer noch als Thraun, vielleicht sogar größer als der Unbekannte. Auf dem Rücken trug er über Kreuz eine doppelschneidige Streitaxt und ein Zweihandschwert. Ilkar stellte sich vor, dass er mit jeder Hand eine dieser Waffen schwingen konnte, und nahm sich vor, nicht in der Nähe zu sein, wenn es dazu kommen sollte. Er wandte sich wieder an Denser.
    »Entschuldige, ich war abgelenkt. Jetzt kann ich natürlich viel besser verstehen, warum er hier aufgetaucht ist. Aber du wolltest, glaube ich, etwas sagen?«
    Denser entzündete seine Pfeife neu und benutzte dazu wie gewohnt eine Flamme, die auf der Spitze seines rechten Daumens entstand. »Mach dir keine Sorgen, er wird dir nichts tun. Er wurde genauestens über die Beteiligten und über unsere Situation informiert.«

    »Von wem? Ich habe nicht gesehen, dass du seit seiner Ankunft mehr als ein Dutzend Worte mit ihm gesprochen hättest.«
    »Er war mit meinem Hausgeist unterwegs.«
    »Das soll mir reichen. Fahre fort.«
    Denser änderte ein wenig seine Sitzposition.
    »Nun, unsere Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt nicht über Dawnthief zu sprechen, sondern abzuwarten, bis der richtige Augenblick gekommen ist, hat uns ein neues Problem eingebrockt.«
    »Warum arbeitet der Rabe eigentlich für Xetesk?«, formulierte Ilkar die Frage, die viele sich stellten.
    »Genau. Und das bringt am nächsten Ort, zu dem wir gehen, ein großes Problem mit sich.«
    »Dordover.«
    Ilkar schürzte die Lippen.
    »Wenn du, Hirad oder ich in der Stadt gesehen werden, dann bekommen wir jede Menge Ärger mit dem Kolleg von Dordover. Wir können es uns aber nicht erlauben, uns zu trennen, denn wenn wir es tun, werden uns die Wytchlords im Handumdrehen zertrampeln.«
    »Wir müssten aber schon ein beinahe unglaubliches Glück haben, wenn wir nicht entdeckt werden wollen.« Ilkar schüttelte den Kopf und fragte sich, ob die Kollegien irgendwann einmal lange genug mit ihrem Gezanke aufhören würden, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Gern hätte er Denser als Lügner betrachtet, doch er musste davon Abstand nehmen und sich eingestehen, dass der Dunkle Magier in ebenso großer Gefahr schwebte wie der Rabe. Das Verhalten von Xetesk jedoch war

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