Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
Mann.«
»Vielleicht sollten wir uns besser in meinen Gemächern unterhalten«, schlug Kerus vor.
»Das sollten wir vielleicht tun.«
19
Es war Spätnachmittag. Will hatte den Holzofen in Gang gebracht, und ein Topf Wasser blubberte darauf. Kein Lichtschein drang nach draußen.
»Ehrlich gesagt, bin ich erstaunt«, meinte Denser. »Uns ist keine Menschenseele begegnet. Wie wahrscheinlich ist so etwas eigentlich?«
Er, Ilkar und Hirad hatten sich ein paar Schritte entfernt, um sich zu besprechen. Jandyr und Thraun kümmerten sich um die Pferde, Erienne hatte sich bereits schlafen gelegt.
»Er ist ein guter Fährtenleser, das muss ich ihm lassen«, sagte Hirad.
»Gut? Die Gegend ist gar nicht mal so dünn besiedelt, doch wir haben nichts und niemanden gesehen oder gehört. Es ist eine außerordentliche Leistung.«
»Nicht nur das, die meiste Zeit haben wir nicht einmal ihn selbst gehört«, stimmte Ilkar zu.
»Also gut, damit ist die Sitzung des Thraun-Bewunderungskomitees geschlossen«, sagte Hirad. »Was wissen wir über Dordover?«
Denser bedeutete Ilkar mit einer Geste, dem Barbaren zu antworten.
»Es ist die größte der Kolleg-Städte. Sie ist enger mit Xetesk verbunden als Julatsa und hat sich gelegentlich auch mit Densers Leuten verbündet, obschon sie heute kaum noch ein Wort miteinander reden. Doch selbst wenn sie noch freundschaftlichen Kontakt hätten, würde unsere Aufgabe nicht leichter. Ihr müsst wissen, dass die Kollegien ihre Überlieferungen eifersüchtiger hüten als alles andere, was sie besitzen. Wir sind drauf und dran, einen Teil von Dordovers Überlieferung zu stehlen.«
»Der Meisterring wird also beschützt.«
»Ja, aber nicht von Menschen, sondern von Sprüchen«, entgegnete Ilkar. »Das ist unser Problem. Schutzzauber, Alarmsignale, Fallen, und alles ist verschlüsselt. Wenn ein Unbefugter in ihren Bannkreis gerät, werden sie aktiv.«
»Und wie wollen wir dann vorgehen?«, fragte Hirad.
»Leider gibt es niemanden außer Erienne, der uns hier weiterhelfen kann«, sagte Denser.
»Warum leider?«
»Weil wir sie nicht bitten sollten, sich an einem solchen Diebstahl unmittelbar zu beteiligen. Sie ist jetzt schon innerlich zerrissen, nachdem sie ihre Söhne verloren hat. Ich frage mich, ob dies nicht zu viel für sie wird.«
»Ich weiß«, sagte Hirad. »Aber wenn sie uns einfach sagt, was wir …«
»Du verstehst das nicht«, widersprach Denser. »Sie muss reingehen.«
»Dann reden wir also darüber, Will und Thraun mit einer Frau loszuschicken, die vor Kummer nicht mehr ein und aus weiß und die sogar hier ausgebildet wurde. Und sie soll einen Ring stehlen, der in ihren Überzeugungen eine zentrale Rolle spielt.«
»Das ist eine präzise Beschreibung des Sachverhalts«, bestätigte Denser.
»Weiß man in Dordover denn, dass sie kommt?«, fragte Hirad.
»Ja, natürlich«, antwortete Denser. »Nur eines noch. Niemand darf getötet werden. Das könnte Erienne nicht ertragen.«
»Darf ich ihnen nicht einmal die Hände abhacken?«
»Es tut mir leid, Hirad.«
»Wir wollen nur hoffen, dass es vor dem Morgengrauen nicht uns allen schrecklich leidtut.« Er entfernte sich und rief Thraun, dann drehte er sich noch einmal um. »Wie hat denn der Plan ausgesehen, bevor wir Erienne getroffen haben?«
Ilkar und Denser wechselten einen Blick, die Katze hob den Kopf.
»Es ist möglich, schwache Geister über eine gewisse Entfernung zu steuern«, antwortete Denser.
»Glaube mir, du willst die Einzelheiten gar nicht wissen«, ergänzte Ilkar.
Hirad nickte und ging zum Ofen hinüber.
Styliann stellte sein Glas mit einem lauten Knall auf den Tisch. Seine Augen funkelten wütend, und das Gesicht lief im Lampenlicht seines Arbeitszimmers puterrot an.
»Die Protektoren unterstehen meinem unmittelbaren Befehl. Niemand darf ohne meine vorherige Zustimmung einem Protektor einen Einsatzbefehl erteilen. Nicht einmal Ihr.«
»Aber die Situation, mein Lord …«, stammelte Nyer.
»Die Situation hätte mit mir erörtert werden müssen«, gab Styliann zurück. »Ich mag es nicht, wenn meine Autorität auf diese Weise infrage gestellt wird. Und außerdem
gefällt es mir nicht, dass ausgerechnet dieser Protektor ausgewählt wurde.«
»Sol ist ein äußerst fähiger Mitarbeiter.«
»Ihr wisst ganz genau, was ich meine«, fauchte Styliann. »Ihr werdet ihn auf der Stelle zurückrufen.«
Nyer schlug die Augen nieder und nickte. »Selbstverständlich, mein Lord, wenn dies Euer Wunsch
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