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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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armselig.«
    Am Tor wurden sie von einem einsamen Wächter aufgehalten, der nach kurzem Überlegen die Magierin wiedererkannte.
    »Erienne«, sagte er freundlich. »Du warst ja ein paar Jahre nicht mehr hier.«

    »Irgendwann müssen wir alle mal aus dem heimischen Nest entfliehen, Geran, aber es ist schön, dich wiederzusehen.« Der Wächter lächelte, dann musterte er Will und Thraun. »Freunde meines Mannes«, sagte Erienne. »Ich hatte leider etwas Ärger.« Ihre Stimme klang belegt, und sie verzichtete auf weitere Erklärungen.
    »Und jetzt bist du hier, weil du Hilfe suchst.«
    »So könnte man es ausdrücken.«
    Geran trat zur Seite. »Du kennst ja die Besucherregelungen«, sagte er.
    Erienne nickte und ging an ihm vorbei. »Ich sehe zu, dass sie sich benehmen.«
    »Wie geht es eigentlich Alun?«, fragte Geran.
    Erienne zuckte zusammen, doch sie ging weiter, ohne sich umzudrehen. Thraun beugte sich zu Geran vor.
    »Das ist das Problem. Er ist tot. Und die Jungen ebenfalls.«
    Geran sah ihn entsetzt an. »Das tut mir …«
    »Schon gut. Lass es auf sich beruhen.«
    Der Turm war etwa zweihundert Schritt vom Tor entfernt. Links vom Tor waren in einer Reihe gedrungener Hütten die Lehrsäle untergebracht, rechts stand ein langer, verrammelter Bau, schwarz und mit Eisen gesichert.
    »Dort werden die Fernzauber geübt und die neuen Sprüche getestet. Dazu braucht man ein stabiles Gebäude.« Erienne blieb kurz stehen und sah hinüber. »Wusstet ihr, dass in allen Kollegien ungefähr jeder fünfzigste Magier bei Versuchen in den langen Hallen und Testräumen stirbt? Nein, natürlich wusstet ihr das nicht. Ihr dachtet, wir wachen einfach eines Morgens auf und sind fähig, Sprüche zu wirken. Die Gefahren, denen wir bei Ausbildung und Forschung ausgesetzt sind, werden nie richtig gewürdigt. Ihr glaubt, es sei eine Gabe, doch für uns ist es ein Ruf, dem wir unbedingt
Folge leisten müssen. Wir spazieren nicht freiwillig hier herein, sondern sie finden uns und bringen uns her.«
    »Immer mit der Ruhe, Erienne.« Erschrocken über ihren Ausbruch legte Thraun ihr eine Hand auf die Schulter. Sie schüttelte die Hand ab und ging weiter.
    »Hinter dem Turm gibt es einen weiteren Ort, den man fürchten muss. Das Mana-Bad. Dort lernen die Magier, das Mana aufzunehmen, zu verstärken und zu steuern. Nebenan ist die Krankenstation, wo diejenigen, die sich dem Mana zu früh und zu schnell geöffnet haben, sabbernd und stammelnd liegen, bis der Tod sie holt. Glücklicherweise dauert dies nie sehr lange.«
    Sie marschierte eine kurze Treppe hinauf, überquerte ein gepflastertes Relief und trommelte an die wuchtige Eichentür in der Vorderfront des Turms. Der linke Türflügel schwang lautlos auf, und ein Mann trat heraus. Er war der älteste Mensch, den sie je gesehen hatte. Weißes Haar wallte über die Schultern, der Mund war hinter einem grauscheckigen Bart verborgen. Sein Körper war vor Alter gebeugt, und er hielt sich mit zwei Stöcken aufrecht, doch die Augen waren von einem klaren Blau und blitzten im faltigen, vom Alter tief gefurchten Gesicht. Stärke strahlte aus den Augen. Erienne verneigte sich vor ihm.
    »Meister des Turms, ich bin Erienne. Ich suche Wissen in der Bibliothek.«
    Er betrachtete sie einen Augenblick und nickte schließlich.
    »So sei es«, sagte er mit heiserer, leiser Stimme. »Und deine Begleiter?« Er machte eine unbestimmte Geste mit einem Stock.
    »Sie beschützen mich.«
    »Sie können die Vorhalle betreten, aber weiter dürfen sie nicht hinein.«

    »Ich weiß, Meister des Turms.« Erienne rang die Hände.
    »Du bist ungeduldig, Erienne Malanvai. Das war schon immer deine größte Schwäche.« Er kicherte. »Gehe hinein und suche dein Wissen. Du warst schon viel zu lange nicht mehr in der Bibliothek. Vielleicht schenkt das Alter dir endlich die nötige Weisheit.« Er trat einen Schritt auf Thraun und Will zu und musterte sie im schwächer werdenden Nachmittagslicht. Bei dem Dieb war es kaum mehr als ein flüchtiger Blick, doch Thrauns Gesicht wurde eine ganze Weile angestarrt, und das Stirnrunzeln ließ die ohnehin schon tiefen Falten noch tiefer werden.
    »Hmm«, machte er schließlich. »Erlaube dir keine Übertretungen. Die Strafen folgen auf dem Fuße und sind streng.« Er schlurfte in den Turm zurück und ließ die Tür offen stehen, damit sie eintreten konnten.
    Erienne ging wieder zu ihren Gefährten hinunter. »Was hatte das zu bedeuten?«
    »Ich muss wohl ein beängstigendes Gesicht

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