Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
nicht … oh, nein!«
»Was ist?« Hirad, der gerade sein Schwert wieder in die Scheide stecken wollte, hielt mitten in der Bewegung inne.
»Thraun, Will und Erienne. Das Kolleg rechnet mit irgendetwas, nicht wahr? Und sie sitzen wie auf dem Präsentierteller mittendrin. Was glaubst du, welche Chance sie jetzt noch haben?«
»Aber sie können doch auf keinen Fall mit der Katze in Verbindung gebracht werden, oder?«, wandte Jandyr ein.
»Das spielt keine Rolle«, erwiderte Ilkar. »Im Kolleg wird der Alarmzustand ausgerufen, sobald die Gefangennahme der Katze bekanntwird. Sie werden glauben, die Xeteskianer trieben sich hier herum, und niemand wird mehr hinein- oder herauskommen. Glaube mir.«
Hirad schob die Klinge ganz in die Scheide.
»Oh, wie schön. Densers Gehirn wird zerbröselt, wenn seine Katze stirbt, und wir verlieren die Hälfte unserer Leute, ohne den Ring zu bekommen.« Er entfernte sich einige Schritte, fluchte halblaut und versetzte einem Baum einen Tritt. »Hat irgendjemand irgendwelche guten Ideen, oder können wir uns jetzt einfach den Wytchlords ergeben?«
»Ich muss ihn befreien«, sagte Denser. »Ich kann ihn nicht da drin lassen. Das versteht ihr nicht.«
»Es gibt nur einen, der jetzt überhaupt noch herausfinden kann, was da drinnen vor sich geht, und das bin ich«, sagte Jandyr. »Ich werde mein Pferd satteln und mich umsehen.«
»Danke«, sagte Ilkar. Dann richtete er die Aufmerksamkeit wieder auf Denser. »Vergiss nicht, warum wir alle hier sind, und vergiss auch nicht die Menschen, die bisher schon gestorben sind. Wenn du jetzt einfach nach Dordover hineinrennst, dann begehst du Selbstmord, und alles, was wir bisher erreicht haben, wird zerstört.«
Er hielt inne und blickte zu Sol empor. Die Augen des Protektors waren hinter der dunklen Maske verborgen, doch Ilkar wusste, dass der Kämpfer das Geschehen aufmerksam beobachtete.
»Ich sehe, du hast es begriffen. Es liegt jetzt bei dir, dafür zu sorgen, dass er hierbleibt.« Er drückte Densers Schulter. »Es tut mir leid. Ich weiß, wie tief eure Bindung ist. Es tut mir leid, dass du solche Schmerzen erleiden musst und dass du noch mehr Schmerzen wirst leiden müssen. Aber Dawnthief ist wichtiger als jeder Einzelne von uns, das hast du selbst gesagt. Du kannst mich doch hören, oder?«
Denser nickte und lehnte sich hilflos gegen Ilkar. Er schaute auf und sah den Julatsaner an. Seine Augen schwammen vor Tränen.
20
Will und Thraun konnten es beobachten. Sie wussten ganz genau, dass es nicht einfach nur ein Mann war, der eine streunende Katze schnappte, doch sie begriffen nicht, was es zu bedeuten hatte. Vor dem Kolleg, nahe der Mauer am langen Testraum im Schatten verborgen, kamen sie rasch zu einer Entscheidung.
»Wir haben versprochen, dass wir zurückkommen«, sagte Thraun. »Vielleicht steckt sie in Schwierigkeiten.«
»Du hast Recht, aber können wir ihr da drinnen wirklich helfen?« Will deutete mit dem Daumen zum Kolleg.
»Das wollen wir doch hoffen. Und wir haben immer noch einen Trumpf im Ärmel.«
»Hmm.« Will beäugte Thraun und runzelte die Stirn. »Das mag ja sein, aber es gefällt mir einfach nicht, wie der alte Mann dich angestarrt hat. Es war, als wüsste er irgendetwas über dich. Es stimmt zwar, dass es keine Möglichkeit gibt, Erienne mit der Katze in Verbindung zu bringen, weil der Hausgeist ein Wesen aus Xetesk ist, aber trotzdem …« Er ließ den Satz unvollendet und zuckte ratlos mit den Achseln.
»Ich weiß«, erwiderte Thraun. Er schaute zum Himmel hinauf. »Wir sollten hineingehen. Ich komme nicht gern zu spät.«
Die Mauer war zwar glatt, stellte aber kein großes Hindernis dar. Will war in wenigen Sekunden hinüber, und sie war niedrig genug, dass Thraun hochspringen und die obere Kante packen konnte. Eine Minute später standen sie hinter dem langen Testraum.
Das Gebäude war öde und finster. Die Wände waren kaum höher als Thraun, das Dach ragte an beiden Seiten weit nach unten und reichte fast bis zum Boden. Da es mit Eisen verkleidet war, musste es äußerst widerstandsfähig und schwer sein. Will zuckte zusammen, als er die Außenmauer berührte. Sie war warm. Doch da war noch mehr – eine Aura, die dem ähnlich war, was sie im Turm gespürt hatten, doch irgendwie unkontrolliert. Gefährlich.
»Können wir nicht weitergehen?« Sein Unbehagen nahm noch zu, als das Metall knackte.
»Das wäre mir ein Vergnügen.« Thraun lief, gegen neugierige Blicke abgeschirmt, an der
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