Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
allerdings Glück, dass wir deinem Freund, dem Meister vom Turm, nicht über den Weg gelaufen sind. Ich dachte schon, wir müssten ihn niederschlagen.«
»Da bin ich euch zuvorgekommen.« Erienne informierte sie über die Ereignisse der letzten Stunde.
»Eine Sache noch«, sagte Will. »Irgendjemand hat Densers Katze geschnappt.«
»Dieser Idiot!«, spuckte Erienne. Sie knallte die flache Hand auf den Tisch. »Ich habe ihm doch gleich gesagt, dass sie einen Hausgeist leicht aufspüren können. Die Überheblichkeit dieses Mannes kennt keine Grenzen.« Sie schnaufte schwer, doch ihre Augen verrieten, was sie dachte. »Die Schmerzen, die er jetzt sicher hat … der arme Mann, es muss schrecklich sein.« Sie hielt inne. »Kommt, wir haben jetzt Wichtigeres zu tun, als uns darüber Sorgen zu machen. Alles in allem würde ich sagen, dass wir mehr Glück hatten, als wir verdient haben. Ich habe bereits meinen guten Ruf verloren, als ich mich auf diese lächerlichen Albernheiten eingelassen habe, aber ich will nicht auch noch mein Leben verlieren.«
»Dann nehme ich an, wir können uns den Ring einfach schnappen?«, fragte Will.
»Ich bin nicht sicher«, räumte Erienne ein. »Da unten ist ein Schutz, den ich nicht kenne.«
»Und?«
»Solange ich die Mana-Form nicht begreife, weiß ich nicht, was er tut oder ob ich ihn aufheben kann. Um das herauszufinden, muss ich in seiner Nähe sein.« Sie ging zur Tür. »Lasst uns gehen.«
Thraun nickte, und sie tappten leise zum Eingang der Gruft.
»Will?«, fragte Erienne.
»Das ist ein normales Schloss mit einem Riegel auf jeder Seite. Schwer, aber primitiv gemacht«, flüsterte er. »Ich müsste nur wissen, ob es durch einen Spruch oder durch normale Fallen geschützt ist.«
»Weder noch«, sagte Erienne.
»Gut.« Will bückte sich und machte sich ans Werk. Er schob eine Metallstange in der Größe seines kleinen Fingers ins Schloss und stocherte eine Weile darin herum. »Sehr primitiv.« Er zog den Stab zurück und wühlte in seiner Gürteltasche, bis er ein flaches Stück Metall gefunden hatte. Es war so breit wie drei Finger, und am Ende war ein Bart angeschweißt, der über den Stab geschoben werden konnte, bis er mit einem Klicken einrastete. Er schob den behelfsmäßigen Schlüssel ins Schloss, verkantete ihn ein wenig und zog ihn hin und her. Nicht lange danach lächelte er und drehte den Schlüssel herum. Auf der anderen Seite der Tür glitt der Riegel mit einem Klicken nach oben.
»Willst du zuerst rein?«, fragte er Erienne.
»Ich glaube, ja.« Sie trat an Will vorbei, der sein Werkzeug verstaute, und öffnete die Tür. Drinnen war das Gewicht des Mana schwerer den je. Sie hielt kurz inne und holte Luft. Außerdem war es stockdunkel.
»Hier drinnen ist eine Menge statisches Mana, damit die Schutzsprüche intakt bleiben. Ich kann mich an den Spuren orientieren. Was ist mit euch beiden?«
»Ich folge ihm, mach dir deshalb keine Sorgen«, sagte Will.
»Kein Licht?«, wollte Thraun wissen.
»Nicht, bevor wir nicht die ersten Stufen hinter uns haben. Ungefähr auf halber Höhe der Treppe gibt es einen lichtempfindlichen Spruch, der bei Einbruch der Dämmerung aktiviert wird und einen Alarm auslöst.« Sie stieg vorsichtig die Treppe hinunter. Thraun und Will folgten ihr,
nachdem Will die Tür geschlossen und wieder zugesperrt hatte.
Für Will war die Dunkelheit undurchdringlich, und die mit Mana geladene Atmosphäre versetzte ihn in Angst und Schrecken. Die Luft roch modrig und abgestanden. Er hakte die Finger seiner rechten Hand in Thrauns Gürtel und ließ die linke Hand über die Wand streichen, während er sich von seinem Freund führen ließ.
So stark war seine Konzentration, dass er es kaum hörte, als Erienne darauf hinwies, dass sie den ersten Schutzspruch passierten. Doch irgendwie drang es zu ihm durch, und er war sicher, es auch fühlen zu können. Das Mana ringsum war irgendwie mächtiger, und es trieb ihm die Furcht wie einen Dolch ins Herz. Nervös suchte sein Blick im Dunklen nach irgendetwas, auf das er sich heften konnte. Er stolperte.
»Immer mit der Ruhe, Will«, sagte Thraun. Auch seine Stimme klang in der Aura von Macht, die sie umgab, belegt. »Es sind noch etwa ein Dutzend Stufen, dann sind wir unten.«
»Das macht mir keinen Spaß.«
»Mir auch nicht. Geh es einfach ruhig an und steig hinunter.«
Nachdem sie die dreißig Stufen hinter sich gebracht hatten, folgten sie im schmalen Gang einer scharfen Biegung nach rechts. Erienne
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