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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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er über die Leichen stolperte, die sie vorhin erst an den Rand des Tempels geschleppt hatten. Doch die Furcht, allein gelassen und in Stücke gehackt zu werden, sorgte dafür, dass seine Finger fest um Jandyrs Oberarm gespannt blieben. Dann kam ein plötzlicher Richtungswechsel, und Will stolperte.

    »Was ist los?«
    »Entschuldige, Will. Wir müssen jetzt zur anderen Seite des Tempels hinüber.« Jandyrs Stimme klang gepresst. »Da habe ich mehr Raum für das nächste Manöver.«
    Thraun fegte den Kasten vom Sockel und versuchte, die Säule aus bearbeitetem Marmor umzukippen. Zuerst dachte er, sie sei fest im Boden verankert, doch dann knackte es, uralter Staub wallte auf, und sie kippte.
    »Unbekannter?«
    »Den Göttern sei Dank.«
    Die beiden großen Krieger hielten die Säule fest, legten die Arme darum und hoben sie auf. Sie grunzten vor Anstrengung und schnauften schwer.
    »Führe uns, Thraun«, sagte der Unbekannte. »Schnell.«
    Will glitt in einer der Blutlachen aus und fiel der Länge nach hin. Er schrie, als sich seine Hand von Jandyrs Arm löste, rollte sich herum und kam gleich darauf wieder in die Hocke. Hektisch sah er sich in der undurchdringlichen Dunkelheit um und zuckte zusammen, als seine tastende Hand auf kaltes, zerfetztes Fleisch traf.
    »Jandyr!«, heulte er. »Sie dürfen mich nicht kriegen!« Neben ihm bewegte sich etwas, und er spürte eine Hand auf dem Arm. Er zuckte zusammen und entspannte sich sofort wieder.
    »Ich bin doch bei dir, Will. Ich bin bei dir.« Jandyrs Stimme war ein Pol der Gelassenheit. »Wir sind in Sicherheit. Sie können uns nicht kriegen. Komm schon, wir müssen in Bewegung bleiben.«
    Will richtete sich auf. »Wohin denn?«
    »Folge mir einfach.«
    Der Unbekannte bekam den Rückschlag vom ersten Stoß gegen den Fensterladen ab. Seine breiten Schultern bebten unter dem Aufprall, doch das Holz hatte nachgegeben.
Es mochte magisch versiegelt sein, aber es war und blieb einfach nur Holz.
    »Beim nächsten Mal«, versprach Thraun. »Bereit?«
    »Los.«
    Das Holz zitterte. Sie hörten etwas brechen, doch sie waren noch nicht durch.
    »Beinahe«, meinte Thraun. »Noch einmal.«
    »Los.«
    Der Marmorsockel brach mit lautem Krachen durch die Blende. Thraun ließ das Ende los, und der Unbekannte schob den Sockel weiter und drückte den provisorischen Rammbock ganz nach draußen. Durch das gezackte Loch strömte frische Luft herein, und das schwache Licht kam ihnen so hell vor wie ein Leuchtfeuer. Noch wichtiger war, dass auch ein Strom von Mana einsetzte, sobald die Hülle des Kaltraums geborsten war.
    »Das dürfte reichen«, sagte Denser.
    Gleich darauf wurde der Tempel von einem sanften Lichtschein erhellt. Erienne hatte ihre Lichtkugel sofort wieder gedämpft, weil sie die Gefährten nicht blenden wollte. Jandyr und Will waren noch auf der Flucht. Als die Lichtkugel entstand, rannten sie sofort zur Haupttür hinüber. Jandyr humpelte stark.
    »Kümmert euch um die Tür«, sagte Hirad.
    »Ich hab sie.« Ilkars Kraftkegel war auf die Fuge zwischen den Türflügeln gerichtet. Der Spruch drückte die Türen aus den Fugen; sie barsten und kippten nach draußen, in die wundervolle warme Nachtluft.
    »Lasst uns verschwinden, los jetzt!« Hirad führte die anderen aus dem Tempel und atmete, unbeeindruckt vom Gestank der Toten, die frische Luft ein. »Wenn sie uns folgen, dann können wir schneller laufen als sie. Kommt schon!«

    Der Rabe rannte aus dem Tempel, Jandyr und Will zuletzt, und erreichte den Weg vor der Treppe. Die Statuen blieben an der Tür stehen. Sie konnten sich nicht über den Bereich hinaus bewegen, der durch den Zauber vorgegeben war. Am Waldrand hielt der Rabe inne.
    Erst eine, dann eine weitere maskierte Gestalt trat aus den Schatten. Nach wenigen Augenblicken versperrten ihnen neunzig Protektoren den Weg. Angeführt wurden sie von einem einzigen Reiter.
    Der Rabe nahm seine Kampfformation ein. Der Unbekannte war in der Mitte und starrte die Reihen hinter dem Reiter an. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass sie da waren.
    Will blieb bei Jandyr. Der Elf war auf den Bauch gefallen, und das Blut lief aus einem langen Schnitt, der von der Schulter bis zur Hüfte reichte.
    »Er braucht Hilfe.«
    »Wir auch«, sagte Erienne.
    Will schaute auf, als Denser das Wort ergriff.
    »Styliann. Ihr kommt ein wenig spät, um uns zu retten.«
    »Bemerkenswert«, sagte Styliann. »Es war wichtig, dass Ihr überlebt. Balaia hat nicht mehr viel Zeit.«

30
    Die Horden rückten

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