Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
auf den Hügeln eine Armee erscheint, die uns rettet, unsere Stadt und unser Kolleg. Doch jetzt, zwölf Tage später, müssen wir akzeptieren, dass dies nicht geschehen wird, oder jedenfalls nicht, solange der Schirm noch aktiv ist. Wir können nicht länger zuschauen, wie unsere Leute abgeschlachtet werden. In gewisser Weise wäre es sogar einfacher, sie durchs Schwert sterben zu sehen, von überlegenen Kräften niedergemacht. Wenigstens hätten sie dann noch ihre Seelen. Aber im Schirm … bei den Göttern im Himmel, wir können uns kaum vorstellen, welche Qualen sie leiden müssen.«
»Sollen wir dann ihr Opfer entwerten, indem wir uns feige ergeben?«, fragte Endorr.
Kard sah ihn scharf an, und auch Barras machte keinen Hehl aus seiner Wut. Doch der General beherrschte sich und antwortete gelassen.
»Es ist zu spät, um für diejenigen, die im Dämonenschirm gestorben sind, noch etwas zu tun. Aber es ist nicht zu spät, diejenigen zu retten, die da draußen noch leben. Endorr, mein einfältiger junger Magier, es gibt keine feige
Kapitulation. Nein, ich erwarte, dass Ihr alle Euren Teil dazu beitragt, dass die Wesmen Julatsa für immer fürchten müssen. Und wenn wir in unserer Schlacht alle sterben sollten bis auf ein einziges Kind, das dem Würgegriff der Wesmen entgeht, dann war dies meiner Ansicht nach ein Sieg, für den zu kämpfen sich gelohnt hat.
Habe ich Eure Erlaubnis zu beginnen?«, fragte Kard den ganzen Rat. Einer nach dem anderen nickte.
»Dann ist es entschieden«, erklärte Kard. »Eine Stunde vor der Morgendämmerung werde ich Euch morgen früh noch einmal aufsuchen und darum bitten, dass der Dämonenschirm entfernt wird. Von diesem Augenblick an werde ich alle Kräfte der Stadt Julatsa und des Kollegs kommandieren, ob Magier oder Soldat, ob Mann oder Frau. Habe ich diese Befehlsgewalt?«
»Ja, General Kard, Ihr habt sie«, sagte Kerela. »Und Ihr habt die Unterstützung und den Segen von uns allen, und unsere Gebete begleiten Euch. Rettet unser Kolleg. Sorgt dafür, dass unsere Leute nicht mehr sterben müssen.«
Kard lächelte. »Ich will sehen, was ich tun kann.«
Sha-Kaans Rückkehr ins Brutland verlief bei weitem nicht so triumphal wie die letzte. Er glitt beinahe unbemerkt durch den Nebel und gab erst nach seiner Landung den Vestaren, die sich um ihn kümmern sollten, seine Ankunft bekannt. Er verzichtete auf die üblichen Förmlichkeiten und Willkommensgrüße und fragte sofort nach der Belegung der Fusionshalle, dann beruhigte er seinen Körper und transferierte sich nach drinnen.
Dort lag Elu-Kaan flach auf der Seite, Hals und Schwanz weit ausgestreckt, den Kopf voller Risse und Schnitte. Ein Flügel war ausgebreitet. Die Membran war beschädigt und trocken, aber zum Glück nicht gerissen. Doch Sha-Kaan
besorgte vor allem der Atem des jungen Drachen. Schnell und ungleichmäßig kamen die Atemzüge, als hätten seine Lungen an Volumen verloren, und es klang, als schabe Drachenhaut über spitze Steine.
Obwohl er müde und steif war und nach seinem Kampf und dem langen, anstrengenden Flug beträchtliche Schmerzen hatte, befahl er seinen Vestaren sofort, sich um Elu-Kaan zu kümmern. Er zog sich ein wenig zurück und machte ihnen Platz, ließ sich nieder und legte den Kopf neben Elu-Kaan auf den Boden.
Er brauchte eigentlich nicht mehr zu fragen. Elu war bei seiner Begegnung mit den Arakhe verletzt worden, und er befand sich nicht im heilenden interdimensionalen Strom, weil er keinen Zugang zu seinem Drachenmagier in Julatsa gefunden hatte.
Aus der Nähe konnte man sehen, dass Elu-Kaans Maul unzählige Kratzer von den Klauen und Zähnen der Arakhe abbekommen hatte. Das Drachenfeuer fügte ihnen praktisch keinen Schaden zu, und sie waren gefährliche Gegner, auch wenn sie sich kaum aus ihrer Dimension heraustrauten und die Seelen der großen Tiere nicht zu stehlen wagten. Doch der Dämonenschirm drang in den interdimensionalen Raum ein, und Elu-Kaan hatte ihren Zorn erregt und wäre beinahe dabei zugrunde gegangen.
Formelle Kontakte zwischen den beiden Völkern gab es nicht. Es war stets schwer, mit Drachen zu verhandeln, doch die Arakhe redeten überhaupt nicht. Sie gingen einfach davon aus, dass alle Geschöpfe in den anderen Dimensionen unter ihnen stünden und nach Belieben benutzt und vernichtet werden könnten. Sha-Kaan, der ihnen in seinem langen Leben nur ein einziges Mal begegnet war, musste einräumen, dass diese Haltung in den meisten Fällen gar nicht so
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