Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
wusste noch sehr genau, wie sie damals in Sha-Kaans Fusionskorridor eingedrungen waren und Denser verfolgt hatten. Damals hatte er nicht angehalten und sich umgesehen. Jetzt tat er es, wenngleich nur kurz.
Der Durchgang war nicht lang, und am anderen Ende wartete schon der Unbekannte in der kahlen Kammer. Er hatte die Tür noch nicht geöffnet. Im kleinen Raum standen an beiden Seiten Bänke, der Boden war mit Steinplatten ausgelegt, und dunkelgrüne Wandgemälde zeigten Flammen und einen Dschungel.
Hinter der Tür lag die erste Halle. Durch die Türen auf der rechten Seite hatte Sha-Kaan sein Feuer in den Raum gespien. Die Türen waren ersetzt worden, die Brandmale waren entfernt, an der Wand gegenüber hing das Abzeichen des Drachen, und darunter brannte ein Feuer im Kamin.
Hirad ging zum Wappen hinüber. Die Symbole schlugen ihn in ihren Bann – es waren zwei Klauen unter dem offenen Maul eines Feuer speienden Drachen. Ein Reflex im Wappen erregte seine Aufmerksamkeit. Er trat näher heran, und was er sah, erfüllte sein Herz mit Stolz. Das Abzeichen des Raben war eingearbeitet worden, ein blutroter Hintergrund, und davor der Umriss eines Rabenkopfes und eines Flügels. Das Wappen war in das Drachensymbol eingegliedert, stolz und doch untergeordnet. Hirad hatte keine Probleme mit der Befehlshierarchie, die darin zum Ausdruck kam.
»Nun ja, nun ja«, meinte Ilkar, der das Symbol des Raben sofort bemerkt hatte. Hirad lächelte.
»Alles herein, alles herein«, sagte er.
»Wie kommen wir jetzt zu Sha-Kaan?«, fragte Erienne. Hirad deutete nach rechts und führte den Raben weiter.
Hinter den beiden Türen, die einen zweiten Kamin einrahmten, sahen sie wieder einige mit dem Wappen des Drachen und mit Runen geschmückte Türen. Es schien eine Ewigkeit her, dass Hirad beobachtet hatte, wie sie zerstört wurden, doch jetzt waren die Türen intakt, und das goldene Wappen glänzte im Licht des Feuers. Zusätzliches Licht spendeten die Kohlenpfannen im kleinen Vorraum.
»Stoßt sie auf«, sagte Hirad, und der Unbekannte tat es. Vor ihnen lag nun der Drachensaal mit seinen Wandbehängen, den Kaminfeuern und der Wärme. Sha-Kaan lag auf dem Boden und ruhte sich aus. Der Hals war in ihre Richtung gestreckt, der Schwanz hinter dem mächtigen Körper zusammengerollt.
Er sprach laut, damit sie ihn hören konnten.
»Willkommen Hirad Coldheart, mein Drachenmann. Willkommen sei der Rabe.«
Sha-Kaan war riesig. Hirad hatte diese Tatsache noch nicht richtig zur Kenntnis genommen, seit er dem Drachen das erste Mal begegnet war, und jetzt verstand er auch, warum er diese Tatsache nicht an sich herangelassen hatte. Schon die Größe des Drachen war erschreckend. Aber außerdem auch noch zu akzeptieren, dass ein Geschöpf, das hundertzwanzig Fuß lang war, geistige Kräfte und ein Wissen besaß, das seinem eigenen weit überlegen war, das konnte einen nur in den Wahnsinn treiben. Der Drache strahlte eine Aura von Stärke aus.
Doch als er Sha-Kaan nun zum ersten Mal als Drachenmann gegenüberstand, lichtete sich der Nebel vor seinen Augen. Jetzt konnte er den Geist erkennen, der in diesem riesigen Körper wohnte. Er konnte spüren, welche
Gedanken und Ängste den Drachen bewegten, und er wusste, dass der Große Kaan verletzt war.
Hirad führte den Raben über den gekachelten Boden bis zu dem mit Schlamm und Erde ausgelegten Bereich, in dem Sha-Kaan ruhte. Zehn Feuer brannten in Kaminen auf drei Seiten des Drachen. Es war schwül in der Halle. Sie schwärmten aus und nahmen instinktiv eine Verteidigungsposition ein. Der Unbekannte hielt sich rechts neben Hirad, Will war links von ihm, und die Magier – Denser, Ilkar und Erienne – bildeten dahinter die zweite Reihe. Thraun ließ sich nicht blicken. Als sie näher kamen, konnte Hirad Verbrennungen am Hals des Drachen erkennen.
»Erkläre mir, was wir tun sollen, Sha-Kaan«, sagte er.
»Dazu ist später noch Zeit – oder vielleicht haben wir auch überhaupt keine Zeit mehr«, sagte der Drache. »In Julatsa gibt es große Schwierigkeiten. Eure Magier haben dort eine Macht entfesselt, die sie nicht bändigen können, auch wenn sie es, wie ich fürchte, nicht wissen.«
»Darf ich sprechen?«, sagte Ilkar. Sha-Kaan hob den Kopf ein paar Fuß hoch. Die alten Augen blinzelten müde.
»Ein Elf aus Julatsa«, sagte er. »Es würde mich sehr interessieren, was du zu sagen hast, aber fasse dich kurz. Die Zeit drängt.«
»Danke«, sagte Ilkar. Er trat vor und stellte sich neben
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