Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
einem Kichern, ein trockenes Rasseln tief in der Kehle.
»Ja«, sagte er. »Aber ein vergifteter Köder.«
Die Rabenkrieger wechselten besorgte Blicke und scharrten unruhig mit den Füßen.
»Ich will euch erklären, was ihr tun müsst.« Hirad sah dem Großen Kaan in die Augen. Er spürte nicht die Absicht, ihnen etwas anzutun, sondern nur den Wunsch, zu überleben und zu siegen. Er nickte und lauschte.
Thraun bewegte sich vorsichtig zu der Öffnung, aus der die Witterung des Tiers strömte. Er wusste, dass er etwas sah, das es eigentlich nicht geben durfte, und dieser Gedanke beunruhigte ihn sehr, als er sich der Öffnung näherte. Er konnte hineinschauen, er sah das flackernde Licht, aber dahinter konnte er nichts außer dem Land erkennen. Er knurrte, doch das Knurren verwandelte sich in ein Winseln, das eine tiefe Furcht zum Ausdruck brachte. Die Öffnung führte zum Rudelbruder, sie führte aber auch zu dem
Tier, dessen Macht den Wolf so sehr ängstigte. Vor allem führte der Durchgang ins Nichts. Da gab es keinen Wald, kein freies Land, kein Wasser und keinen Himmel.
Thraun schnüffelte am unteren Rand der Öffnung. Er sah die Stelle, wo das Gras dem Stein wich, und nahm die Witterung von drinnen auf. Holz und Öl gab es dort. Menschen und Elfen. All das beruhigte ihn. Doch diese vertrauten Witterungen wurden von fremden Gerüchen überlagert, die er nicht einordnen konnte. Er hob den Kopf und schaute hinein, er sah die Lichter und den Stein. Die Fährte des Rudelbruders roch nach Angst, aber nicht nach Schrecken. Sie war so deutlich wie die Fährten der anderen Menschen und des Elfen.
Er sah sich um, sein Herz schlug zum Zerspringen, er sah die Stelle, wo sie gelagert hatten, verlassen im Gras. Ein letzter Blick zu den Lichtern am Himmel, dann tappte er vorsichtig in die Öffnung.
21
Ernst beobachtete Hirad die Gesichter der Rabenkrieger. Sha-Kaans Worte gingen ihm durch den Kopf. Zwei Gefahren hatte der Drache ihnen beschrieben, und Hirad hatte Schwierigkeiten, alles zu verstehen. Wie üblich hatte der Große Kaan ihnen die Möglichkeiten aufgezeigt und zugleich deutlich gemacht, dass sie keine Wahl hatten.
Sie konnten darauf bauen, dass der Rat von Julatsa stark genug war, um die Bedrohung durch die Dämonen zu bekämpfen, doch wenn er nicht stark genug war, dann wurde ganz Balaia von Dämonen überrannt, die auf einer Woge aus reinem Mana hereingeschwemmt wurden. Dieses Mana war die Luft, die sie atmeten, doch es war tödlich für alle Männer, alle Frauen und alle Kinder, die mit ihm in Berührung kamen. Die hoch konzentrierte Energie trieb den Menschen die Luft aus den Lungen, und, noch schlimmer, sie lieferte ihre Seelen schutzlos den Dämonen aus, oder den Arakhe, wie Sha-Kaan sie nannte. Balaia drohte eine Erweiterung der Dämonendimension zu werden, und die Kaan würden ihre Fusionswelt und letzten Endes auch ihr Leben verlieren.
Andererseits gab es einen Weg, die Arakhe stark genug einzuschüchtern, damit sie von ihrem offensichtlichen Ziel abließen. Doch die Beschreibung dieser Aufgabe und der Risiken, die sie für alle mit sich brachte – für den Drachen wie den Raben –, verschlug ihnen die Sprache. Andererseits konnten sie viel gewinnen. Sie konnten die Bedrohung durch die Dämonen beseitigen und zugleich an der Armee der Wesmen vorbei ins Kolleg von Julatsa gelangen.
So betrachtete Hirad die Gesichter seiner Freunde. Einigen fiel die Antwort leicht. Ilkar nickte nur, und der Unbekannte Krieger erwiderte Hirads Blick, als sei er empört, dass man überhaupt so ein Aufhebens darum machte. Hirad selbst wollte tun, was der Große Kaan ihm auftrug, solange der Rabe einverstanden war. Jeder einzelne Rabenkrieger.
Will hatte Angst. Bei den Göttern im Himmel, sie hatten alle Angst. Doch er hatte schon einmal einen Dämon gesehen, und die Vorstellung, einer riesigen Anzahl von ihnen gegenüberzutreten, trieb ihm jegliche Farbe aus dem Gesicht und ließ ihn zittern wie Espenlaub.
»Vielleicht müssen wir gar nicht gegen sie kämpfen«, sagte Hirad.
»Aber wir müssen sie sehen«, sagte Will.
»Wir werden dich beschützen.«
»Das kann nur Thraun.«
Hirad hatte den Wolf ganz vergessen. Wahrscheinlich war der Gestaltwandler noch draußen. Er musste mitkommen, weil sonst Will nicht mitkommen würde. Und der Rabe kämpfte nie getrennt. Niemals.
»Und wenn Thraun mit dabei ist?«
»Dann bin auch ich dabei«, sagte Will. Hirad nickte und drehte sich zu Erienne und Denser um, die
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