Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
letzten Kontakt. Nicht mehr stark und befehlend, sondern gequält.
»Ich höre dich, Sha-Kaan.«
»Ich muss ein Tor zu dir öffnen. Der Rabe muss mich hören. Seid ihr an einem sicheren Ort? Eure Rhythmen und eure Signaturen sagen mir, dass ihr ruht.«
»Ja, Großer Kaan.«
»Sehr gut, dann soll es geschehen.« Die Schmerzen verschwanden.
Ein paar Schritte vor dem knienden Hirad und ein Stück tiefer am Hang entstand eine flackernde, helle Linie, die sich zu einem zehn Fuß hohen und an der Basis sieben Fuß breiten Dreieck ausdehnte. Im Innern war es dunkel, neben dem Dreieck blieb die Landschaft sichtbar.
Hirad richtete sich auf und sah sich um. Will starrte mit großen Augen das Licht an, und inzwischen regten sich auch die anderen Rabenkrieger. Unangenehme Empfindungen hatten sie aus dem Schlaf gerissen.
»Keine Angst, Will, es ist Sha-Kaan.«
»Schon gut, mir geht es gut.« Wills Stimme zitterte leicht. »Wieso ist Sha-Kaan hier?«
»Schwer zu erklären, aber irgendwie ist er aus seiner Dimension in unsere gekommen, weil er mit uns reden will. Wecke die anderen.« Hirad blickte wieder zum Licht. Im Innern des leuchtenden Rahmens waren jetzt goldene
Funken zu sehen, als tobte dort ein Schneesturm. Dann verschob sich der Rahmen ein wenig nach links, bis ein von Kohlenpfannen beleuchteter Durchgang zu sehen war, der in eine kleine, kahle Kammer führte, die Hirad schon einmal gesehen hatte.
»Was ist das?«, fragte Will. Hirad drehte sich lächelnd zu ihm um.
»Das ist der Weg zum Großen Kaan«, sagte er.
Sha-Kaans Stimme flüsterte in seinem Kopf.
»Gut gemacht, Hirad Coldheart, deine Signatur ist stark. Komm jetzt und bringe deine Gefährten mit.«
Hirad war sich seiner Gefühle nicht ganz sicher, aber es war etwas, das einer Euphorie nicht unähnlich war. Sein Kopf war leicht, seine Gliedmaßen voller Kraft, und sein Herz pochte vor Freude. Er schob für den Augenblick alle Sorgen zur Seite. Sha-Kaan war da.
»Dann ist es mal wieder so weit«, sagte Ilkar neben ihm. Überrascht klang es nicht, nur unendlich müde.
»Aber dieses Mal wird die Begegnung einfacher und angenehmer verlaufen«, versprach Hirad.
»Nun ja, wir werden jedenfalls nichts stehlen«, meinte Ilkar.
Die anderen Rabenkrieger brauchten nicht lange, um zu erwachen. Der Unbekannte stellte sich neben Hirad auf. Er schwieg, sein Gesicht war verschlossen, die Augen blickten gleichmütig.
»Genau wie in alten Zeiten, was, Unbekannter?«, meinte Hirad lächelnd.
»Nein, Hirad, es ist nicht wie früher.« Der Unbekannte wagte sich als Erster in den Durchgang. Hirad wartete noch ab und beobachtete Denser und Erienne, die hinten ums Portal herumgingen.
»Faszinierend«, meinte der Dunkle Magier. »Ich kann
dich von der anderen Seite aus sehen, aber ich kann nicht die Hand durchstecken und winken. Es ist, als existiere der Durchgang nur in genau der Form, wie du ihn siehst.« Er kam zu Hirad herüber. »Willst du mal etwas ausprobieren?«
Hirad zuckte mit den Achseln und nickte. »Wenn es sein muss.«
»Geh herum, wie ich es gerade getan habe. Ich bleibe hier.«
Hirad zog die Augenbrauen hoch und ging los, doch nach ein paar Schritten blieb er stehen.
»Warte mal, da stimmt doch was nicht.« Die Öffnung war ihm gefolgt, und er befand sich immer noch vor ihr.
»Doch, das ist schon in Ordnung«, sagte Ilkar. »Wir sind immer dahinter, falls ›dahinter‹ das richtige Wort ist.«
»Du bist der Drachenmann«, erklärte Erienne. »Das Portal existiert nur, weil du hier bist und weil du mit Sha-Kaan verbunden bist.«
»Oh, ich verstehe«, sagte Hirad. Er hatte keine Ahnung, was Erienne meinte.
»Könntet ihr euch vielleicht mal so langsam in Bewegung setzen?« Der Kopf des Unbekannten erschien im Durchgang. »Macht schon.« Er verschwand wieder.
»Will, was ist mit Thraun? Wird er mitkommen?«, fragte Hirad.
»Ich habe mich gerade eben erst überwunden, selbst durchzugehen«, sagte der drahtige kleine Mann. Sein schwarzes Haar war grau durchsetzt, die Erinnerung an einen Schrecken, der ihn seit einiger Zeit in seinen Albträumen heimsuchte. »Ich nehme an, er wird uns folgen, falls es ihm immer noch wichtig ist, mich zu beschützen. Ich glaube aber, er hat Angst vor deinem Drachen.«
»Da ist er nicht der Einzige«, sagte Erienne.
»Der Rabe, los jetzt, wir wollen den Großen Kaan besuchen«, sagte Hirad. »Und lasst die Schwerter in der Scheide«, fügte er noch hinzu.
Es war, als würden seine Erinnerungen wach. Hirad
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